Von Wachstumsgrenzen, Preissignalen und britischer Kriegswirtschaft

Ulrike Herrmann sorgt in letzter Zeit für Kontroversen mit ihren teils als extrem empfundenen Thesen zur Klimakrise und Wachstumsgrenzen. Kürzlich erschien in den Blättern für deutsche und internationale Politik (die ich abonniere) ein Text von ihr: Raus aus der Wachstumsfalle: Wie wir mit der britischen Kriegswirtschaft die Klimakrise bewältigen können. Der Beitrag basiert auf ihrem kürzlich erschienenen Buch Das Ende des Kapitalismus. Da ich Teile der Diagnose von Frau Herrmann teile, ihren Therapievorschlägen aber nicht viel abgewinnen kann, möchte ich den Blätter-Beitrag etwas näher diskutieren.

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Nach uns die Sintflut? Degrowth und die Suche nach Alternativen jenseits des Wachstumsparadigmas

Der folgende Text basiert auf einem Vortrag, den ich am 5. April 2018 im Rahmen des jährlichen Kongresses von ND Christsein.Heute in Dresden gehalten habe. Er wird in der Zeitschrift des Verbandes, „Hirschberg“, erscheinen.

1972 war ein besonderes Jahr. Zum einen erschien der vielbeachtete und bis heute diskutierte Bericht des Club of Rome Grenzen des Wachstums, in dem ein systemtheoretisch inspiriertes Modell genutzt wurde, mithilfe dessen die Möglichkeit dauerhaften Wirtschaftswachstums untersucht (und verneint) wurde. Zum anderen veröffentlichten zwei angesehene Vertreter des ökonomischen Mainstreams, William Nordhaus und James Tobin ein Diskussionspapier, in dem sie aus ähnlichen Erwägungen, obgleich mit anderen Methoden, fragten: Ist Wachstum obsolet?1 Die Debatte darüber, ob dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit Nachhaltigkeit vereinbar ist, bricht seitdem nicht ab. Angesichts der sich mehrenden Anzeichen, dass die Menschheit sich sog. Planetaren Grenzen2 gefährlich nähert bzw. manche womöglich schon überschritten hat (durch Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt etc.), werden Stimmen immer lauter, die eine Abkehr vom „Wachstumsparadigma“ fordern. Viele dieser Stimmen haben sich in den letzten Jahren in der Degrowth-Bewegung vereint.

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Aktuelles aus der eigenen Forschung

Ich habe beschlossen, mich in Übersetzung meiner Forschung in eine auch für Laien verständliche Sprache zu üben; daher werde ich von nun an auf diesem Blog zusätzlich zu den bisherigen, „halbgar-freischwebenden“ Aktivitäten meine eigenen Publikationen zusammenzufassen. Bevor ich diese „Publikationsreihe“ mit meiner letzten Veröffentlichung zu Amartya Sen und deliberativen Methoden ökonomischer Bewertung eröffne, hier ein paar Links zu bereits existierenden Besprechungen früherer Publikationen:

More to come…

Ist Wirtschaftswachstum vorbei?

…the most important economic question of all – what will economic growth be like over the next couple of generations?

Man sehe sich dieses Zitat von Larry Summers, dem wichtigsten Wirtschaftsberater Barack Obamas und einem der prominenteren Ökonomen unserer Zeit, an und behaupte, die Ökonomen litten nicht unter einem Wachstumsfetischismus. Dennoch werden immer mehr Ökonomen – Summers eingeschlossen – zunehmend pessimistisch über Möglichkeiten künftigen Wachstums. Die Begründungen sind allerdings nicht, wie bei den „üblichen Verdächtigen“ aus der degrowth-Szene, normativ (Wachstum sollte aufhören wegen seiner negativen Begleiterscheinungen wie soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung etc.), sondern rein positiv – die betreffenden Kommentatoren sind schlicht und einfach der Meinung, die kurze „Wachstumsepisode“ der Menschheitsgeschichte könnte sich allmählich dem Ende nähern.Weiterlesen »

Profite, Zinsen und Wachstum

Kapitalismus ist die Wurzel alles Bösen. Dies ist eine altbekannte „Wahrheit“, der man im wachstumskritischen Diskurs recht häufig begegnet, nolens volens. Alles, was schlecht ist, wird dem Kapitalismus zugeschrieben, und alles, was „kapitalistisch“ anmutet, muss schlecht sein. Folgerichtig wird auch oft behauptet, man sei innerhalb eines kapitalistischen Systems zum Wachstum verurteilt – und dauerhaftes Wachstum ist bekanntlich ein Problem. Daher müsse man den Kapitalismus überwinden. Ob dies im Allgemeinen stimmt, wurde hier bereits einmal diskutiert. Heute widmen wir uns zwei speziellen Attributen des Kapitalismus, die uns vermeintlich zum Wachstum „verdammen“: Profitorientierung und Zinsen.Weiterlesen »

Das andere Wachstumsdilemma – „schrumpfen oder ignorieren?“

Das derzeitige ökonomische System, einschließlich der dazugehörigen Konsumkultur, ist nicht nachhaltig. Egal, ob wir ökologische, soziale oder finanzielle Nachhaltigkeit im Sinn haben – die Diagnose ist relativ unkontrovers. Irgendwas muss sich ändern. Es sind die Therapievorschläge, die Kontroversen erwecken. Entkopplung, d.h. Effizienz und eventuell Konsistenz, sagen die Einen. Degrowth, d.h. Schrumpfung, Suffizienz und Subsistenz, sagen die Anderen. Und dann gibt es noch solche, wie z. B. Jeroen van den Bergh oder mich, die meinen, dass Entkopplung zwar eine naive Utopie ist, aber degrowth/Schrumpfung auch kein sinnvoller Ansatz, weil auch hier BIP-Wachstum fetischisiert wird, bloß unter umgekehrten Vorzeichen. Ich setze an dieser Stelle voraus, dass Entkopplung zu unwahrscheinlich ist, als dass man vernünftigerweise alles auf ihre Karte setzen könnte, und möchte mich der Frage widmen: schrumpfen oder ignorieren?Weiterlesen »

Hoch lebe die Sharing Economy?

Teilen ist heutzutage in aller Munde. Angefangen mit der degrowth-Konferenz im letzten Herbst bis zu Business-Zeitschriften, in denen die Sharing Economy als einer der neuen, „grünen“ Trends gepriesen wird. Selten gibt es einen so breiten Konsens bei der Bewertung gesellschaftlicher Phänomene. Was einen sofort skeptisch machen sollte. Ist das überhaupt ein Konsens? Oder ist das Teilen der Einen nicht gleich der Sharing Economy der Anderen? Meinen Beobachtungen zufolge ist das Problem sogar etwas gravierender: „Teilen“ ist zzt. so en vogue, dass diese Bezeichnung sehr unterschiedlichen Phänomenen angehängt wird, die eigentlich auch sehr unterschiedlich zu bewerten sind. Und nicht unbedingt etwas mit Teilen zu tun haben.Weiterlesen »