Über den Rand des eigenen Teiches blicken

Ich lese gerade mal wieder, nach einer längeren, belletristikgeprägten Pause, ein sozialwissenschaftliches Buch in meiner Freizeit: Michele Alacevichs Albert O. Hirschman: An Intellectual Biography. Dass Hirschman ein wahnsinnig interessanter Denker war, wusste ich schon vorher. Aber die Lektüre hat mich daran erinnert, wie wichtig es ist, hin und wieder den eigenen „intellektuellen Teich“ zu verlassen und einen Ausflug in die Nachbarteiche zu wagen, um zu sehen, was da so Spannendes und (potenziell) Inspirierendes los ist.

Weiterlesen »

Was man so lesen könnte…

Kürzlich wurde ich von einem Praktikanten, der ein VWL-Masterstudium erwägt, nach Bücher-Empfehlungen zum Thema „Ökonomik“ gefragt. Tatsächlich wurde mein Denken über Ökonomik bzw. über Menschen und Gesellschaft durch die Lektüre vieler verschiedener, oft nicht mal im weiteren Sinne ökonomischer Bücher geprägt. Und da vielleicht jemand etwas davon hat, beschloss ich, die Bücher, die mein Denken besonders geprägt haben, mal gebündelt zu besprechen.

Weiterlesen »

Interdisziplinäre Forschung zwischen materiellen und kulturellen Ungleichgewichten

Interdisziplinarität ist die conditio sine qua non gesellschaftlich relevanter Nachhaltigkeitsforschung. Nur leider spiegelt sich dies in der Forschungsförderung und -organisation nur bedingt wieder. So zeigten Indra Overland und Benjamin Sovacool kürzlich im Kontext der Klimaforschung, dass weltweit lediglich etwa ein Promille der in sie fließenden Mittel bei den Sozialwissenschaften landet. Dieses massive Ungleichgewicht „beraubt“ die Klimaforschung essentieller Erkenntnisse bezüglich des klimarelevanten menschlichen Verhaltens, der Rolle von Institutionen bzw. insgesamt eines umfassenden Systemverständnisses. Gleichwohl ist es leider so, dass es keineswegs ausreichen wird, schlicht den Sozial- und Geisteswissenschaftler*innen mehr Geld zuzustecken. Denn die Ungleichgewichte, die interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung erschweren, sind nicht nur materieller, sondern auch kulturell–institutioneller Natur. Und als solche alles andere als leicht zu beheben.

Weiterlesen »

Exit und Voice: von Fußball bis Kuba

Ich war schon immer schwer beeindruckt von Sozialwissenschaftler*innen, die sich nicht in eine disziplinäre Schublade stecken lassen. Da wäre bespielsweise der Ökonom–Philosoph Amartya Sen, dessen Einfluss auf mein Denken kaum zu überschätzen ist. Da wäre Jon Elster, ein… Soziologe? Ökonom? Philosoph? Und natürlich ist da noch Albert Otto Hirschman, eine besonders illustre Persönlichkeit.1 Gerade schreibe ich mit einem Kollegen an einem Artikel, in dem wir Hirschmans Konzept von Exit und Voice „missbrauchen“, um etwas über Genome-Editing-Regulierung zu sagen. Diese Gelegenheit würde ich gern nutzen, um ein paar Worte über diese einflussreichste von Hirschmans vielen Ideen zu erzählen, insbesondere über ihre diversen Anwendungen in sozialwissenschaftlicher Literatur.Weiterlesen »

Das sozialwissenschaftliche Grundproblem der teilnehmenden Beobachtung

Eigentlich ist „teilnehmende Beobachtung“ der Name einer Methode bzw. Herangehensweise der qualitativen Sozialforschung. Gleichzeitig spiegelt der Begriff aber auch ein Grunddilemma nahezu jeder sozialwissenschaftlichen Forschung wider: die Erhebung sozialwissenschaftlicher Primärdaten setzt faktisch immer eine Interaktion mit den „Forschungsobjekten“ (Menschen, individuell oder als Gruppen) voraus; eine neutrale Beobachtung bzw. Datenerhebung ohne Risiko eines invasiven Einflusses ist nicht möglich.

Weiterlesen »

Ist die Ökonomie eine Wissenschaft?

Darum, ob die Ökonomie eine Wissenschaft sei, streiten sich schon immer die Geister. So akademisch diese Frage erscheint, so wichtig kann sie in der Praxis sein – es ist nun mal so, dass man in unserer Gesellschaft als Wissenschaftler eine Art Sonderstatus genießt. In Deutschland, wo man immer wieder auf Klingelschildern „Dr.“ oder „Prof. Dr. Dr.“ sieht und Minister gestürzt werden, weil sie des Prestige wegen um jeden Preis einen Doktortitel haben wollten, merkt man dies besonders deutlich. Aber auch aus rein „akademischem“ Interesse ist die Frage nach dem Wissenschaftsstatus der Ökonomie durchaus spannend – zumal man sich bei ihrer Beantwortung klar machen muss, was eigentlich Wissenschaft ist und was die Ökonomie ausmacht. Beides ist bei Weitem nicht trivial.Weiterlesen »

Der… äh… Nobelpreis 2015

Alle Jahre wieder werden in Stockholm und Oslo die Nobelpreise vergeben. Jeder einzelne von ihnen ist umstritten, doch keiner so sehr (OK, außer vielleicht dem Friedensnobelpreis) wie der, der eigentlich keiner ist: der Sveriges Riksbanks pris i ekonomisk vetenskap till Alfred Nobels minne. Der Öffentlichkeit bekannt als der „Wirtschaftsnobelpreis“. Man kann ihn für sinnvoll halten oder nicht, aber es lässt sich nicht leugnen, dass er mit einem riesigen Prestige verbunden ist. Oft lässt es sich zum Beispiel beobachten, dass mit dem Preis ausgezeichnete Ökonomen plötzlich anfangen, sich mehr der Publizistik zu widmen (besonders markante Beispiele der jüngeren Vergangenheit: Joseph Stiglitz und Paul Krugman) – im wissenschaftlichen Bereich haben sie ja nachweislich „ausgesorgt“. Jedes Jahr stellt sich also die Frage: an wen sollte der Preis gehen? Hier meine eher unrealistischen Vorschläge.Weiterlesen »

Eine Sozialwissenschaft oder viele Sozialwissenschaften?

Vor ein paar Tagen hörte ich mir am UFZ einen Vortrag über den Klimaschutzbeitrag an (der kurz danach begraben wurde). In der Diskussion kam die Frage der „Vorreiterrolle“ Deutschlands in der Klimapolitik auf. Einer der Kollegen – ein Professor und gestandener Klimaökonom – sagte sinngemäß, dass die Wirksamkeit der „Vorreiterrolle“ ökonomisch nicht erklärbar sei (was wohl stimmt). Es könne eine politikwissenschaftliche Erklärung geben, aber eine ökonomische gebe es nicht. Damit schien dieser Aspekt der Diskussion für ihn abgeschlossen. Was ich nicht nachvollziehen kann. Ist es wirklich relevant, welche sozialwissenschaftliche Disziplin einen Sachverhalt erklären kann und welche nicht? Anders formuliert: Gibt es eine Sozialwissenschaft, die nur in verschiedene Subdisziplinen eingeteilt ist, welche sich mit verschiedenen Teilaspekten gesellschaftlichen Lebens befassen? Oder gibt es vielmehr mehrere Sozialwissenschaften, die die Gesellschaft aus verschiedenen Perspektiven betrachten und miteinander unvereinbar sind?Weiterlesen »