Hoch lebe die Sharing Economy?

Teilen ist heutzutage in aller Munde. Angefangen mit der degrowth-Konferenz im letzten Herbst bis zu Business-Zeitschriften, in denen die Sharing Economy als einer der neuen, „grünen“ Trends gepriesen wird. Selten gibt es einen so breiten Konsens bei der Bewertung gesellschaftlicher Phänomene. Was einen sofort skeptisch machen sollte. Ist das überhaupt ein Konsens? Oder ist das Teilen der Einen nicht gleich der Sharing Economy der Anderen? Meinen Beobachtungen zufolge ist das Problem sogar etwas gravierender: „Teilen“ ist zzt. so en vogue, dass diese Bezeichnung sehr unterschiedlichen Phänomenen angehängt wird, die eigentlich auch sehr unterschiedlich zu bewerten sind. Und nicht unbedingt etwas mit Teilen zu tun haben.

Ich bin kein Experte in Sachen „Sharing Economy“. Meine nachfolgenden Überlegungen basieren auf anekdotenhafter Evidenz und kursorischen Betrachtungen der Realität um mich herum. Daher werde ich mich auch nur auf ein paar spezifische Beispiele beziehen, die aber aus meiner Sicht exemplarisch für durchaus generalisierbare Probleme stehen.

Das erste Problem ist die Eingrenzung: was ist die Sharing Economy? In meinem Verständnis ist der Begriff eigentlich ein Oxymoron. Es gibt durchaus Phänomene, denen ich das Attribut „sharing“ zuweisen würde – book crossing, nichtkommerzielle Open-Source-Projekte und couchsurfing sind gute Beispiele -, in dene ich aber keine „economy“ erkenne. Außer an definiert als „Sharing Economy“ alles, was übliche ökonomische Beziehungen ersetzt oder ergänzt. Erstens sehe ich aber nicht viel Sinn in einer solchen „Negativ-Definition“, zweitens ergibt sich sogleich ein anderes Problem: das meiste, was üblicherweise als Erscheinungen der Sharing Economy bezeichnet wird, würde somit aus dem so definierten Begriff ausgegrenzt – weil es sich dabei lediglich um in ihrer Essenz gewöhnliche Dienstleistungen handelt. Denn car sharing, Uber und ähnliche Geschäftsmodelle sind eben das – Geschäftsmodelle. Sie verdienen die Bezeichnung „Teilen“ eigentlich nicht mehr als der öffentliche Personennahverkehr oder Friseurläden. Sie unterscheiden sich von diesen höchstens dadurch, dass sie dezentral funtionieren (Uber, Mitfahrgelegenheiten) oder vermeintlich Privateigentum und individuelle Nutzung von Gegenständen ersetzen (car sharing). Beides ändert nichts an der Tatsache, dass es sich hier um engeltete Dienstleistungen handelt, die somit die Bezeichnung „Teilen“ eigentlich nicht verdienen.

Meine bisherige Kritik betrifft lediglich die Wortwahl, nicht die betreffenden Geschäftsmodelle an sich. Unabhängig von Nomenklatur erhoffen sich viele „Wachstumsmüde“ einiges von solch dezentralen und das Privateigentum relativierenden Modellen. Doch zumindest bezüglich Uber und car sharing (bzw. ähnlichen Geschäftsmodellen, bei denen statt Autos andere Gebrauchsgegenstände – Waschmaschinen, Werkzeug etc. – „geteilt“ werden) ist der Hype nicht wirklich gerechtfertigt.

Zunächst ein paar Worte über Uber: die mit diesem Modell verbundenen Hoffnungen sind zweierlei. Zum einen soll das in vielen Ländern überzogen monopolisierte System der Taxigesellschaften gebrochen werden. Zum anderen könnte Uber im Idealffall eine effizientere und nutzerfreundlichere Alternative zu Mitfahrgelegenheiten bieten. Beides mag zutreffen. Doch enthält das Modell leider keine Absicherungen geen einen dritten, weniger erwünschten Nebeneffekt: de-facto-Vollzeit-Taxi-Kleinstunternehmen, die sich aber jeglicher staatlicher Regulierung entziehen. Und das bedeutet u.a. unklare Sicherheitsstandards für die Nutzer, keine Sozialversicherungen, keine Steuern auf selbstständige ökonomische Tätigkeit, keine Rechtssicherheit für die Fahrer. Kurzum: ein Taxi-Schwarzmarkt. Ob dies der richtige Ansatz ist, um Taximonopolen die Stirn zu bieten und Mitfahrgelegenheiten effizienter zu gestalten, ist mindestens fragwürdig.

Kommen wir nun zu Geschäftsmodellen à la car sharing. Das Argument für sie ist in etwa das folgende: statt X Gebrauchsgegenstände für X Personen zu produzieren zu müssen (einschließlich der ggf. anfallenden Emissionen, Entsorgungskosten etc.), brauchen wir nur eine wesentlich geringere Anzahl Y dieser Gegenstände, von denen jedes von durchschnittlich X/Y Menschen genutzt wird, womöglich sogar mit einem finanziellen Gewinn für die Letzteren. Diese Argumentation verkennt jedoch zwei kritische Aspekte. Zum einen werden die betreffenden Gebrauchsgegenstände vergleichsweise sehr intensiv genutzt, sodass sie wesentlich häufiger ersetzt werden müssen als ihre weniger intensiv genutzten, in Privateigentum befindlichen Pendants. Daher ist die aus solchen Modellen resultierende Schonung von Ressourcen netto keineswegs sicher, sondern eine empirische Frage.

Und dies wird zusätzlich verschlimmert durch die möglichen Rebound-Effekte. Falls die betreffenden Konsumenten durch das sharing finanzielle Gewinne (oder z.B. mehr Freizeit) haben sollten, ist es durchaus denkbar, dass sie dieses „zusätzliche“ Geld bzw. diese zusätzliche Freizeit in Aktivitäten investieren, die ihrerseits ebenfalls ressourcenintensiv sind und zumindest einen Teil der durch sharing möglichen Effizienzgewinne auffressen (oder gar diese überwiegen – das sog. backfire).

Wie sieht es nun mit der sog. Sharing Economy aus? Bei näherem Hinsehen erweist sich, dass der Begriff selbst höchstens ein Euphemismus ist und die mit ihm oft umschriebenen Phänomene aus Sicht der hier als notwendig vorausgesetzten Transformation zur Postwachstumsgesellschaft eher zahnlosen Tigern gleichen – zumindest solange sie nicht mit einem dramatischen Kulturwandel einhergehen. Aber dieser könnte ihnen den so enthusiastisch betonten Status rentabler Geschäftsmodelle nehmen. Wie man es also dreht, es sieht nicht gut aus für die Sharing Economy…

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