Spätestens seit ich vor ca. 4 Jahren Twitter beigetreten bin, bekomme ich mehr fundamentale, oft erbitterte Debatten, als mir eigentlich lieb ist. Sei es über den Umgang mit der Pandemie, die Notwendigkeit einer Transformation zur Nachhaltigkeit, die Potenziale und Gefahren von Gentechnik oder Atomkraft, die Migrationspolitik… Und immer wieder habe ich den Eindruck, dass die Beteiligten letztlich unvermeidlich aneinander vorbei reden. Denn die eigentlichen Differenzen liegen nicht dort, wo diskutiert wird – an der Oberfläche konkreter politischer und gesellschaftlicher Probleme –, sondern viel tiefer, bei den Grundprämissen, die unseren jeweiligen Weltbildern zugrunde liegen. Das Problem dabei: Während die konkreten Probleme argumentativ „diskutierbar“ scheinen (also: den Eindruck vermitteln, jemand könne „objektiv“ „recht haben“), entziehen sich besagte Grundprämissen einer argumentativen Begründung. Sie sind und bleiben inhärent und unaufhebbar subjektiv, und damit nicht „diskutierbar“.
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Über die Schwierigkeit, eine Meinung zu haben
Nie znam się, ale się wypowiem.
„Ich kenne mich nicht aus, ich möchte aber eine Meinung äußern.“ (notabene: ein schönes Beispiel für die mich immer wieder faszinierende Umständlichkeit der deutschen Sprache) Nicht nur in Polen, wo dies inzwischen ein geflügeltes Wort geworden ist, ist dieses Phänomen insbesondere in politischen Debatten und in sozialen Medien verbreitet. Gerade bei kontroversen Themen – Ernährung, Klimaschutz, Bildung und Erziehung, Landwirtschaft, Finanzwirtschaft – äußern wir uns häufig auf Basis sehr selektiven und oberflächlichen, manchmal schlicht falschen Wissens. Wenn mit für unsere Meinung „problematischen“ Informationen konfrontiert, tendieren wir dazu, diese kognitive Dissonanz durch Ablehnung und kramphaftes Festhalten an unserer „Wahrheit“ aufzulösen. Doch selbst, ja gerade, wenn wir uns bemühen, offen zu bleiben, und eine Bereitschaft, unsere Meinung zu ändern, an den Tag legen wollen – stehen wir vor großen Herausforderungen, überhaupt noch so etwas wie eine Meinung haben zu können.
Weiterlesen »Degrowth, Moderne und liberale Demokratie
Wachstumskritik ist immer auch Moderne-Kritik. Und Kritik an der Moderne muss zwar nicht, kann aber mitunter auch Kritik an liberaler Demokratie und der „offenen Gesellschaft“ (sensu Popper) sein. Dies trifft auch auf Degrowth zu, dessen Verhältnis zu liberaler Demokratie oft unklar ist. Doch wenn (berechtigte) Moderne-Kritik in Demokratieskepsis abrutscht, droht sie, sehr schnell ihre eigenen Ziele zu untergraben.Weiterlesen »
Misanthropischer Humanismus
Kann man gleichzeitig Menschen gegenüber prinzipiell abgeneigt sein und trotzdem humanistische und liberale Positionen vertreten? Mit anderen Worten: kann man ein misanthropischer Humanist sein? Oder ist dies bloß ein Oxymoron?
5 Jahre Skeptische Ökonomie
Gerade eben wurde mir von WordPress mitgeteilt, dass ich seit inzwischen genau 5 Jahren einen Blog bei ihnen habe. Da habe ich mich an meine Alma mater erinnert gefühlt, die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die sich als 1502 gegründet versteht (Gründungsjahr der Universität Wittenberg), obwohl in Wittenberg kein regulärer Universitätsbetrieb stattfindet und die Geschichte der Uni von 1502 bis heute keineswegs stetig verläuft (Interessierten empfehle ich den Wikipedia-Eintrag zur MLU). So betreffen die 5 Jahre auch bei mir sowohl den alten englischen Blog als auch den aktuellen deutschen. Immerhin gab es bei mir keinen klaren Bruch und thematisch einen mehr oder minder fließenden Übergang zwischen den beiden – in diesem Sinne bin ich der MLU voraus. Was macht man denn so anlässlich des fünften Blog-Geburtstags? Man veröffentlicht eine Liste von Beiträgen, auf die man besonders stolz ist (steht zumindest so im Bloggen für Dummies-Guide, gleich hinter „Auf der Suche nach einem guten Titel? Suche Inspiration auf bild.de“). Also dann:Weiterlesen »
Drei Kinder und Gerechtigkeit
Ich lese gerade eines meiner Lieblingsbücher wieder, The Idea of Justice von Amartya Sen. Eine der Hauptbotschaften dieses ungeheuer interessanten Buchs ist, dass man sich mit einer gewissen Art von Pluralität abfinden muss. Es gibt nicht die Antwort auf viele wichtige Fragen – z. B. gibt es nicht die Definition von Gerechtigkeit. Sen illustriert dies an einem sehr schönen, einfachen Beispiel dreier Kinder, die um eine Flöte streiten.Weiterlesen »
Grüne Politik = Öko-Diktatur?
Gegner der „Grünen“ (womit ich nicht nur die Partei, sondern auch die Umweltbewegung als Ganzes meine) werfen ihnen häufig vor, eine „Öko-Diktatur“ errichten zu wollen. Ich möchte an dieser Stelle nicht vordergrundig den empirischen Wahrheitsgehalt dieses Vorwurfs untersuchen, sondern es interessiert mich vielmehr die Frage: kann man gleichzeitig liberal und „grün“ sein?