Die Herausforderung räumlicher Koordination

Eine auf Biodiversitätsschutz ausgerichtete Agrarumweltpolitik steht vor zwei großen, bisher weitgehend ungelösten Herausforderungen: zum einen ist da die fehlende Sicherung der Dauerhaftigkeit von Maßnahmen, da die Anreize nur begrenzte Laufzeit haben und anschließend wieder rückgängig gemacht werden können (dabei sollte man beachten, dass ein schlichtes Verbot der Rückgängigmachung – wie bspw. bei Hecken – abschreckend und damit kontraproduktiv sein kann; die Sache ist also verzwickt). Damit habe ich mich bereits vor einer Weile im Kontext des Carbon Farming auseinandergesetzt und komme ein andermal nochmal darauf zurück. Heute soll es um die zweite ungelöste Herausforderung gehen, die daraus resultiert, dass Biodiversitätsschutz sehr stark von der Landschaftsstruktur abhängt, die kein einzelner Agrarbetrieb allein im Griff hat. Vielmehr bedarf es hier der räumlichen Koordination.

Die Bereitstellung vieler Ökosystemleistungen in Agrarlandschaften hängt vordergründig davon ab, wie einzelne Flächen bewirtschaftet werden. Maßnahmen auf einzelnen Flächen in einer Landschaft sind in solchen Fällen rein additiv. Der Beitrag einer konkreten Hecke oder eines konkreten Schlags zum Klimaschutz (durch CO2-Speicherung in der Biomasse oder im Boden) ist weitgehend unabhängig davon, was in der Umgebung passiert. Ähnlich verhält sich zum Beispiel auch mit dem Hochwasserschutz durch Verbesserung der Infiltrationsfähigkeit von Böden.

Bei manchen Ökosystemleistungen wie Landschaftsästhetik und insbesondere beim Biodiversitätsschutz hingegen kommt es sehr stark auf die Struktur der Landschaft an. Wie beispielsweise Landschaftselemente (Hecken, Baumgruppen, Blühstreifen, Brachen) in der Landschaft angeordnet sind, ist entscheidend für ihre biodiversitätsfördernden Wirkungen. Zwar sind grundsätzlich mehr Landschaftselemente besser als weniger. Doch auch für einen konkreten Flächenanteil (wie bspw. die 4%, die ab dem kommenden Jahr für alle GAP-Direktzahlungen empfangenden Betriebe vorgeschrieben sind, Stichwort GLÖZ 8) kann es einen deutlichen Unterschied machen, wie die Teilflächen angeordnet sind. Zudem gibt es auch Unterschiede in den Anforderungen verschiedener Arten – für die meisten mobilen Arten jedoch (Vögel, Insekten, Säuger) ist die Konnektivität der Landschaft zentral. Ein großer Klumpen mittendrin ist da ebenso wenig förderlich wie zahlreiche Einzelflächen/-landschaftselemente, die nicht miteinander verbunden sind. Doch auch die aktiv bewirtschafteten Flächen spielen hier eine Rolle – die Heterogenität der Landschaft wird auch von der Heterogenität der Schläge beeinflusst. Viele kleine Schläge mit verschiedenen darauf wachsenden Feldfrüchten (und damit z. B. mit gegeneinander versetzten Vegetationsperioden) sind für viele Arten besser als wenige große Schläge mit ähnlichen oder gar gleichen Feldfrüchten.

Nun ist das Problem aber, dass in kaum einer Agrarlandschaft alle Flächen einem Betrieb gehören. Auch die Eigentums- bzw. Nutzungsstruktur ist ein Mosaik. Gleichwohl adressieren die allermeisten Politikinstrumente, die die Biodiversität schützen sollen – seien es Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM), die neuen Ökoregelungen oder die die bereits erwähnte GLÖZ-8-Regelung – einzelne Betriebe. Jeder Betrieb entscheidet für sich, wo er Landschaftselemente anlegt, wie er seine Fruchtfolge räumlich gestaltet etc. Um die Biodiversitätswirkungen zu verbessern, bräuchte es hingegen einer räumlichen Koordination dieser Aktivitäten. Hierfür gibt es bisher kaum Anreize.

Grundsätzlich gibt es vier Möglichkeiten, räumliche Koordination zu bewirken:

  1. Raumplanung: Theoretisch könnte eine Behörde vorschreiben, wo Landschaftselemente platziert und wie Fruchtfolgen abgestimmt werden sollten, um die Biodiversitätswirkungen zu maximieren. Dieser ordnungsrechtliche Ansatz hat jedoch zwei wesentliche Schwächen: geringe Popularität (euphemistisch formuliert) und keine Berücksichtigung von Zielkonflikten (insb. mit betriebswirtschaftlichen Erwägungen), die zwar möglich wäre, aber wiederum einen extrem hohen Informationsbedarf mit sich bringen würde (weil man plötzlich multikriteriell statt nur nach Biodiversität optimieren würde).
  2. Neuordnung von Flächen durch Flurbereinigungsverfahren: Eine gute Freundin von mir promovierte in Umweltrechtswissenschaften mit einer Arbeit zum Potenzial der Flurbereinigungsplanung für den Naturschutz. Kurz gefasst geht es darum, die Flurbereinigung – die historisch eher zur Vereinfachung der Landschaftsstruktur genutzt wurde – zu nutzen, um einzelnen (staatlichen oder privaten) Akteuren zu ermöglichen, Flächen zu „ertauschen“, die miteinander soweit „verknüpft“ sind, dass sie die Anforderungen des Biodiversitätsschutzes erfüllen. Diese Idee dürfte zwar ergänzend spannend sein, aber aufgrund des Aufwandes wahrscheinlich nicht mehr als das.
  3. Explizite Koordination durch kooperative Agrarumweltmaßnahmen: Das sogenannte „holländische Modell“ sieht vor, dass Betriebe sich zu Kooperativen zusammenschließen und gemeinsam Naturschutzverträge mit dem Staat abschließen (und nicht einzeln, wie bei klassischen AUKM). Innerhalb der Kooperative wird dann koordiniert, wer, wie, wo und welche Maßnahmen umsetzt. In Deutschland laufen neuerdings Pilotprojekte, die dieses in den Niederlanden lange etablierte Modell erproben (z. B. in Sachsen-Anhalt). Die Probleme hierbei sind die hohen Transaktionskosten für die Betriebe, die eine formalisierte Kooperative gründen müssen, sowie die Skepsis gerade im Osten Europas gegenüber derartigen „Kollektiven“.
  4. Implizite Koordination durch Agglomerationszahlungen bzw. -boni: Eine seit 2002 in der Umweltökonomik häufiger diskutierte Option besteht in monetären Anreizen zur Koordination, die allerdings keine Gründung formalisierter Kooperative erfordern. Stattdessen würden die beteiligten Betriebe (zusätzliche) Zahlungen erhalten, sobald sich ein bestimmtes Muster in der Landschaft einstellt – ob durch Kooperativen, informelle Absprachen, bilaterale Entschädigungszahlungen (sog. side payments) oder Zufall, ist dabei unerheblich. Agglomerationsboni wurden meines Wissens bisher lediglich in der Schweiz ausprobiert, kränkeln dort aber wohl an der konkreten Ausgestaltung. Ein Problem des Agglomerationsbonus steckt schon in seinem Namen – er belohnt die Umsetzung von Maßnahmen in räumlicher Nähe zueinander, was zwar eine notwendige, in vielen Kontexten jedoch keine hinreichende Bedingung für die Herstellung von Konnektivität in der Landschaft ist. Kompliziertere, den Bedarfen von Konnektivität Rechnung tragende Mechanismen gilt es noch zu entwickeln.

Zum Abschluss sei noch erwähnt, dass auch ergebnisbasierte Agrarumweltzahlungen im Prinzip einen impliziten Koordinationsanreiz generieren können, wenn auch sehr indirekt.

Angesichts der unterschiedlichen Bedarfe verschiedener schützenswerter Arten haben vermutlich alle oben diskutierten Optionen ihre Daseinsberechtigung im Rahmen eines Politik-Mixes für den Biodiversitätsschutz. Es ist jedenfalls interessant zu beobachten, dass das „holländische Modell“ seit einigen Jahren in aller Munde ist, während die deutlich niederschwelligeren Koordinationsanreize durch einen Agglomerations- bzw. Konnektivitätsbonus außerhalb des Fachdiskurses kaum Beachtung finden. Wenn die Situation der Biodiversität in Agrarlandschaften verbessert werden soll, braucht es aber räumliche Koordination – wie auch immer sie genau erreicht wird.

Abbildung aus einem aktuellen Artikel meiner UFZ-Kollegen Martin Drechsler und Volker Grimm zu Wechselwirkungen zwischen räumlichen Koordinationsanreizen und Dauerhaftigkeit (Link; CC BY 4.0): um die räumliche Koordination zu bewirken, braucht es hoher Zahlungen; zu ihrer Aufrechterhaltung hingegen reichen deutlich reduzierte Zahlungen.

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