Fairness vs Effizienz bei Agrarumweltzahlungen revisited

In meinem letzten Beitrag diskutierte ich die vermeintliche Spannung zwischen Fairness und Effizienz bei (ergebnisorientierten) Agrarumweltzahlungen, einem ansonsten recht sinnvollen Instrument der Umweltpolitik. Den Studierenden in meiner Vorlesung Naturschutzökonomie an der Hochschule Anhalt verdanke ich nun den Impuls zu ein paar weiterführenden Gedanken zu dem Thema, die ich nun gern ausformulieren würde.

Das in meinem vorherigen Beitrag diskutierte Kernproblem ist das Folgende: wenn man ein Agrarumweltprogramm (kosten)effizient gestalten will, um öffentliche Gelder nicht zu verschwenden, ist das Kriterium der Zusätzlichkeit (Additionalität) wichtig. Dieses Kriterium impliziert, dass „Vorreiter*innen“, die die zu fördernden Maßnahmen bereits vor Einführung des Programms ergriffen hatten (z. B. aus intrinsischer Motivation), nicht honoriert werden sollten. Dies empfinden viele Menschen allerdings als unfair (ob Landwirt*innen selbst es als unfair wahrnehmen, konnte ich bisher noch nicht in Erfahrung bringen).

Nun kann man das Problem aber weiterdenken und damit die vermeintliche Spannung Effizienz–Fairness gegebenenfalls entschärfen. Eine Schwäche von Agrarumweltprogrammen als Instrument der Umweltpolitik besteht in ihrer vertraglichen Form bzw. konkret der beschränkten Laufzeit – gerade wenn die Teilnahme nicht nur eine einmalige Maßnahme (bspw. die Pflanzung einer Hecke), sondern eine dauerhafte Umstellung der Bewirtschaftung erfordert (bspw. Pflugverzicht), läuft man Gefahr, dass diese Änderung nach Ablauf des Vertrags rückgängig gemacht wird. Dies kann übrigens auch im Falle „einmaliger“ Maßnahmen passieren – eine Hecke kann wieder entfernt, ein Moor erneut entwässert werden. Gründe für eine solche Rückkehr zum alten, weniger umweltfreundlichen Modus operandi kann es zahlreiche geben. Selbst wenn die Landwirtin grundsätzlich die Ziele des Agrarumweltprogramms teilt, kann das Marktgeschehen, der Klimawandel oder sonstige Veränderungen in den Rahmenbedingungen dazu führen, dass die Maßnahme ohne Förderung nicht mehr aufrechtzuerhalten ist.

Dies kann dann übrigens auch für die eingangs erwähnten intrinsisch motivierten Vorreiter*innen gelten – auch sie können sich durch sinkende Preise für Marktfrüchte, steigende Pachtpreise oder häufigere Dürreperioden gezwungen sehen, die umweltfreundlicheren Bewirtschaftungsformen wieder aufzugeben.

Das bedeutet aber, dass Zusätzlichkeit ein komplexeres Kriterium ist, als ich es in meinem vorherigen Beitrag implizit unterstellt habe. Denn letztlich gilt Zusätzlichkeit gegenüber einem counterfactual, einem hypothetischen Zustand der Welt ohne das Agrarumweltprogramm. Wie oben angeführt, kann dieses counterfactual auch für die aus Gründen der Effizienz vom Programm eingangs ausgeschlossenen Vorreiter*innen so sein, dass ihre Aufnahme in das Programm nun doch das Kriterium der Zusätzlichkeit erfüllen würde.

Daraus folgt, dass es gegebenenfalls sinnvoll sein kann, zwischen zwei Typen von Agrarumweltprogrammen zu unterscheiden: „Einstiegszahlungen“ einerseits, wo das Zusätzlichkeitskriterium in dem von mir ursprünglich diskutierten Sinne zur Geltung kommt, und „Erhaltzahlungen“ andererseits, die all denjenigen angeboten werden könnten, die die umweltfreundlichen Maßnahmen bereits ergriffen haben (ob wegen des Einstiegsprogramms oder aus Eigenmotivation). Dabei könnten die Zahlungen im zweiten Fall niedriger sein – zum einen, weil eventuelle Investitionskosten bereits getätigt worden sind, zum anderen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Wahrscheinlichkeit des counterfactuals unbekannt ist (sprich: womöglich ist die Zahlung doch nicht notwendig).

Doch selbst, wenn man das Problem auf diese Weise betrachtet und zu einer prima facie zufriedenstellenden Lösung mit zwei Teilprogrammen gelangt, stellt sich beim näheren Betrachten heraus, dass es so einfach nicht ist. Eine wesentliche offene Frage bei der „Erhalt-Variante“ eines ursprünglich ergebnisorientierten Agrarumweltprogramms ist nämlich: was soll entlohnt und dadurch erhalten werden? Das „Ergebnis“ (z. B. ein gegebenes Niveau an Artenvielfalt) oder die Maßnahme bzw. das Maßnahmenbündel, das das Ergebnis herbeigeführt hat? Für beide Optionen gibt es Argumente. Würde weiterhin, wie schon im „Einstiegsprogramm“, das Ergebnis honoriert, hätte die betreffende Landwirtin Flexibilität, die Geldgeberin (Gesellschaft) hingegen die Sicherheit, dass sie nicht unnötig Geld aus dem Fenster schmeißt. Wenn hingegen im „Erhaltprogramm“, anders als im „Einstiegsprogramm“, nun die bereits als erfolgreich identifizierten Maßnahmen honoriert würden, würde das die Monitoring-Kosten substanziell reduzieren (die eine der größten Schwächen von ergebnisorientierten Agrarumweltzahlungen sind), während die Landwirtin die Sicherheit hätte, auch bei von ihr unabhängigen „Schocks“ (die die positive Wirkung der Maßnahme(n) hinsichtlich des „Ergebnisses“ konterkarieren) honoriert zu werden. Welche Variante nun die sinnvollere ist, hängt wohl vom konkreten Fall ab.

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