In den letzten Jahren mehren sich die Rufe nach Abschaffung umwelt- bzw. klimaschädlicher Subventionen. Das ist angesichts der Umwelt- und Klimaziele, denen wir hinterherhinken, vermutlich auch berechtigt. Diese Forderung geht oft einher mit sehr großen Zahlen, wie viel Subventionen denn als umweltschädlich zu klassifizieren sind (vorweg eine technische Anmerkung: ja, auch eine Steuererleichterung ist, ökonomisch gesprochen, eine Subvention). Ein recht großer Posten, der da immer wieder auftaucht: Agrarsubventionen, insb. all die Zahlungen, die landwirtschaftliche Betriebe im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erhalten. Es stellt sich daher die Frage: Sind diese tatsächlich als umweltschädlich zu klassifizieren? Die Antwort schon mal vorweg: Nein, sind sie nicht.
Fangen wir mit der Frage an, was denn eine umweltschädliche Subvention ausmacht. Vereinfacht gibt es zwei Interpretationen, von denen ich persönlich nur eine für sinnvoll halte.
Interpretation 1: Es sind alle Subventionen (inkl. Steuererleichterungen), die der Staat an Wirtschaftsakteure leistet, die für diese Akteure Anreize zu umweltschädlichen Aktivitäten schaffen. Vereinfacht heißt das: Gäbe es diese Subventionen nicht, ginge es der Umwelt besser. Da es sie gibt, geht es ihr schlechter (als es ihr im Counterfactual ohne sie ginge).
Interpretation 2: Es sind alle Subventionen (inkl. Steuererleichterungen), die der Staat an Wirtschaftsakteure leistet, die nicht umweltfördernd sind. Denn selbst wenn sie nicht „aktiv“ die Umwelt schädigen, könnte man sie ja für umweltfördernde Zwecke verwenden. Aus Umweltschutzsicht sind sie daher eine Verschwendung. Auch hier könnte man sagen, dass es der Umwelt ohne diese Subventionen (im Counterfactual) besser ginge – allerdings unter der Voraussetzung, dass die betreffenden Mittel entsprechend umgewidmet würden.
Laut Interpretation 2 sind die Direktzahlungen bzw. Flächenprämien im Rahmen der sog. ersten Säule der GAP (also der Großteil der Zahlungen, die landwirtschaftliche Betriebe über die GAP erhalten) umweltschädliche Subventionen. Im Sinne der – aus meiner Sicht viel sinnvolleren – Interpretation 1 sind sie es nicht.
Natürlich wäre es aus Sicht des Umweltschutzes in Kulturlandschaften wünschenswert, wenn die Direktzahlungen, die aktuell pro Hektar landwirtschaftliche Fläche unter recht minimalen Umweltauflagen geleistet werden, in Zahlungen umgewidmet würden, die aktiv den Umweltschutz fördern. Das tun Teile der GAP auch bereits, nämlich die Ökoregelungen im Rahmen der ersten GAP-Säule und Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) in der zweiten Säule. Eine Abschaffung der „Flächenprämien“ zugunsten rein umweltbezogener Zahlungen wird seit Langem immer wieder gefordert und diskutiert. Daher sind die Direktzahlungen im Sinne der Interpretation 2 sicherlich als umweltschädlich zu klassifizieren. Das trifft bei einer so breiten Definition allerdings auch auf alle (sonstigen) Sozialtransfers. Denn streng genommen sind Direktzahlungen Sozialtransfers.
Womit wir bei der Interpretation 1 wären. Damit in ihrem Sinne Agrarsubventionen (hier: Direktzahlungen) als umweltschädlich zu bezeichnen wären, müsste man aufzeigen, inwiefern sie Anreize zu umweltschädlichen Aktivitäten schaffen. Es wird immer wieder behauptet, dass sie „industrielle“, „intensive“, „konventionelle“, kurzum: irgendwie „umweltschädliche“ Landwirtschaft erst ermöglichen. Das ist an sich nicht falsch. Landwirtschaft wäre in Deutschland und der EU ohne Direktzahlungen schwierig (um es mal euphemistisch auszudrücken). Zumindest bei den aktuellen Lebensmittelpreisen. Allerdings trifft diese Aussage auf jegliche Landwirtschaft zu: konventionell, bio, regenerativ, you name it.
Aber führen die Direktzahlungen nicht dazu, dass gerade intensive Landwirtschaft begünstigt wird? Diese Frage ist schwieriger zu beantworten, als es vielleicht zunächst scheint. Aber erstmal sind Direkzahlungen nicht produktionswirksam – sie werden in gleicher Höhe ausgezahlt, völlig unabhängig davon, wie viel ein Betrieb produziert. Entscheidend ist, dass er über landwirtschaftlich genutzte Flächen verfügt. [UPDATE 13.8.: Diese Argumentation trifft nur abgeschwächt zu auf die noch verbleibenden gekoppelten Zahlungen, die reichlich 10 % der ersten Säule ausmachen, in Deutschland für Mutterkühe, Schafe und Ziegen je Tier geleistet werden und nachweislich negative Klimawirkungen haben; ich verdanke diesen Hinweis Sebastian Lakner.] Ja, aber – fragt vielleicht jemand – ist es nicht so, dass die meisten Zahlungen von den großen Betrieben abgesahnt werden, und small is beautiful, während große Betriebe tendenziell umweltschädlich sind? Dieser Einwand besteht aus zwei Teilen. Beim ersten bin ich zumindest skeptisch – ich sehe keinen offensichtlichen Grund, warum flächenbezogene Zahlungen große Betriebe begünstigen würden. Ja, wer mehr Fläche hat, kriegt mehr Geld – hat aber auch höhere Kosten. Dass landwirtschaftliche Betriebe immer größer werden, liegt eher an anderen Faktoren, und eher nicht so sehr an den Flächenprämien. Soweit der erste Teil des Einwands. Der zweite Teil unterstellt, dass große Betriebe umweltschädlicher wirtschaften. Empirisch stimmt das nicht – möglicherweise, weil sie im Zweifel mehr Spielraum haben, auch mal etwas auszuprobieren, wirtschaften sie im Zweifel eher umweltfreundlicher. Ich wäre allerdings vorsichtig hier mit einer Kausalinterpretation hinsichtlich des Zusammenhangs von Größe und Umweltwirkungen. Darüber hinaus muss man sagen, dass insbesondere aus Sicht der Biodiversität Größe tatsächlich eine sehr große Bedeutung hat – allerdings die Größe von Schlägen (Teilflächen), nicht von Betrieben. Auch diese beiden korrelieren zwar empirisch, aber auch hier wäre ich mehr als vorsichtig, Kausalzusammenhänge zu unterstellen. Zwischenfazit: Direktzahlungen sind nicht produktionswirksam; sie für „intensive Landwirtschaft“ verantwortlich zu machen, verfängt meines Erachtens nicht.
Was würde denn aber passieren, wenn man die Direktzahlungen nicht ersetzt, sondern schlicht ersatzlos abschafft (das laut Interpretation 1 geforderte Counterfactual). Diese Frage ist schwer zu beantworten wegen der strukturellen Abhängigkeit der Landwirtschaft von den Zahlungen – ihre ersatzlose Abschaffung (die übrigens meines Wissens niemand ernsthaft diskutiert) hätte immense Konsequenzen, die sehr schwer vorherzusagen wären. Die wenigen Modellierungsstudien, die dies versuchen, kommen zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Das Beispiel Neuseeland, wo Agrarsubventionen einst tatsächlich abgeschafft wurden, zeigt – bei aller Vorsicht aufgrund der sehr beschränkten Vergleichbarkeit –, dass eine Abschaffung unter Umständen zu Umweltverschlechterungen führen kann.
Sind Agrarsubventionen in der EU also umweltschädlich? Ich sehe kein stichhaltiges Argument für diese These. Könnte man die aktuell für Direktzahlungen genutzten Mittel umwidmen, um die Umweltverträglichkeit der Landwirtschaft zu steigern? Sicherlich. Das ist aber ein anderes Thema.

Was für eine „nette“ Betrachtung! Was dabei vergessen wurde: Landwirtschaft ist per se ein“ständiger Kampf des Menschen gegen die Natur“. Zitat meines Doktorvaters Prof. Heyland.
Was ebenfalls vergessen wurde: wenn man mir als Landwirt nur noch Zahlungen für Umweltmaßnahmen gibt, werde ich nur noch Umweltmaßnahmen „produzieren“.
Was konkret will man eigentlich erreichen? Das hat mir noch niemand gesagt. „Mehr Biodiversität“ lautet oft die unkonkrete Antwort. Als Ackerbauer will ich aber keine Biodiversität, ich will Reinkulturen (oft auch fälschlich „Monokulturen“ genannt)
Alle Subventionenn streichen: Ja, das wäre mein Wunsch, aber bitte weltweit. Natürlich könnte mein Betrieb von seinen 40 ha nicht mehr existieren und selbst mit 200 ha würde es schwierig. Laut Prof. Alfons Balmann gehören die Kleinbetriebe ja ohnehin weg. (Er ist persönlich in der Ukraine an einem Großbetrieb beteiligt.)
Prof. Lakner: „alle Nutztiere sind umweltschädlich.“ (Lakner ist bekennender Grüner)
Merkt ihr Wissenschaftler in eurem Elfenbeinturm eigentlich noch irgend etwas?
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Lieber Willi,
wo fange ich denn an… Ich nehme die Landwirtschaft eher als Arbeit mit der „Natur“ (ich mag dieses Wort nicht). Aber das ist eine philosophische Frage, die uns hier nicht beschäftigen muss.
Natürlich geht es nicht darum, dass Landwirtschaft zu 100 % auf Umweltschutz umgestellt wird. Aber landwirtschaftliche Flächen machen nun mal ca. 50 % der Landfläche Deutschlands aus. Wenn man Agrarlandschaften betrachtet (die auch Gewässer, kleinere Wald-/Gehölzflächen, teilweise auch Siedlungen einschließen), ist es noch mehr. Diese sollen natürlich Nahrungsmittel produzieren. Aber eben nicht nur. Denn Agrarlandschaften können deutlich mehr zum menschlichen Wohlergehen beitragen als „nur“ Nahrungsmittel; daher spricht man von multifunktionalen Agrarlandschaften. Nahrungsmittel, aber auch Klimaregulierung, Hochwasserschutz, Biodiversität, Landschaftsästhetik, sauberes Trinkwasser etc. Wie viel von jeder dieser sog. Ökosystemleistungen – das ist eine gesellschaftlich-politische Entscheidung. Dass der Status Quo den gesellschaftlichen Prioritäten nicht entspricht, wissen wir allerdings.
Die Seitenhiebe gegen Alfons und Sebastian sowie die rhetorische Frage am Ende deines Kommentars übergehe ich an dieser Stelle, weil ich nicht wüsste, wie ich darauf antworten soll.
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Was mich ärgert, wütend und manchmal mutlos macht: es gibt so viele Absprachen von Naturschützern und Landwirten
https://www.bfn.de/publikationen/positionspapier/11-punkte-fur-einen-gemeinsamen-weg-zu-mehr-biodiversitat-im-ackerbau
Da war ich beteiligt. Es war nervenaufreibend.
Dann noch die ZKL, die auch nicht angepackt wird. Dabei können wir Landwirte alles. Es will nur niemand bezahlen und das ist schlicht verlogen.
Mit Alfons bin ich fertig. Der ist nicht ehrlich. Und bei Lakner bin ich blockiert. Der will keinen Dialog sondern nur in seiner Blase bleiben.
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Ja, das sind positive Beispiele für Dialog und Kompromiss. Und ich kann nur zustimmen, dass dies angepackt werden sollte.
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Hi Bartosz,
interessante und informative Überlegungen. Ich habe einiges gelernt und ein paar Quellen mitgenommen.
An einer Stelle beziehst du dich auf unser kürzlich erschienenes Paper:
„Auch diese beiden korrelieren zwar empirisch, aber auch hier wäre ich mehr als vorsichtig, Kausalzusammenhänge zu unterstellen.“
Wir hatten bei dem Paper natürlich viele Diskussionen zu den erklärenden Variablen und deren Einfluss auf die Betriebsgrößen und Feldgrößen und zu dem Zusammenhang zwischen Feldgrößen und Betriebsgrößen. Was beeinflusst was etc. Ich wäre interessiert zu hören, was du dir genau gedacht hast, als du den Satz oben geschrieben hast.
Grüße,
Clemens
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Hi Clemens,
was ich meinte: Wir beobachten eine Korrelation zwischen Schlag- und Betriebsgröße. Dieser Zusammenhang ist auch naheliegend/plausibel (economies of scale, Maschinenparks etc.) und kann in beide Richtungen plausibilisiert werden. Ich halte es aber für ebenso plausibel, dass große Betriebe kleinere Schläge bewirtschaften können (gerade mit Digitalisierung und technologischem Fortschritt insb. bei Maschinen). Daher glaube ich nicht an einen Kausalzusammenhang, solange mir niemand eine überzeugend designte causal-inference-Studie dazu vorlegt;-)
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Ja, das stimmt natürlich. Dazu fällt mir eine interessante Beobachtung ein, die wir bei der Datenexploration gemacht haben, die es aber nicht ins Paper geschafft hat und die wir auch nicht tiefer analysiert haben (time constraints etc.). Wir haben uns mal angeschaut, wie es sich mit den kleinsten und größten Feldern pro Betriebsgrößenklasse verhält (leider kann ich die Abbildung nicht hochladen). Nicht überraschend sind die größten Felder der größten Betriebe im Mittel am größten. Allerdings haben wir auch beobachtet, dass die kleinsten Felder der größten Betriebe im Mittel kleiner sind als bei kleineren Betrieben. Das führt natürlich auch zu den relativ hohen Unsicherheiten, die wir bei den Estimates beobachten.
Eine interessante Untersuchung wäre doch sicherlich mal, Änderungen in Betriebsgrößen und Feldgrößen zeitlich zu verfolgen und zu vergleichen. Eventuell sieht man dann Lag-Effekte. Wahrscheinlich folgte eins dem anderen, z.B. Betriebe wachsen und danach wachsen die Feldgrößen innerhalb des Betriebes. Könnte natürlich sein, dass sich kein klares Muster abzeichnet. Ein Spezialfall sind natürlich Landkonsolodierungsprogramme, die eher ein externer Einfluss auf die Feldgrößen wären.
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