In den Debatten nach den verheerenden Hochwasserereignissen in diesem Juli stieß man gelegentlich auf das (teils implizite) Argument, dass die Betonung der notwendigen Anpassung an den Klimawandel den Klimaschutz als politisches Ziel unterminieren könnte. Das ist politisch-praktisch möglicherweise nicht ganz falsch, doch eigentlich ist die mit diesem Argument implizierte Substituierbarkeit zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung ein gefährlicher Fehlschluss. Man kann weder Klimaschutz durch Klimaanpassung ersetzen, noch andersherum, jedenfalls nicht in nennenswertem Maße.
Dass Klimaschutz und Klimaanpassung keine Substitute sind, kann man aus zwei Perspektiven betrachten. Auf der einen Seite haben wir die Trägheit des Klimasystems. Das demonstriert beispielhaft die unten eingefügte Abbildung, die verschiedene Modellläufe für drei repräsentative Klimaschutzszenarien (die sog. Representative Concentration Pathways) zeigt, wobei auch bei dem ambitioniertesten Szenario, RCP2.6, bemerkt man eine Reaktion des Klimasystems erst mit mehrjähriger Verzögerung. Dies liegt unter anderem daran, dass die Ozeane den Temperaturzuwachs im Treibhaus Erde temporär puffern, wodurch das System erst mit einiger Verzögerung in ein Gleichgewicht kommt. Mit anderen Worten: selbst wenn wir heute aufhören würden, Treibhausgase zu emittieren, würde uns noch einiges an globalem Temperaturanstieg bevorstehen. Auch der ambitionierteste Klimaschutz ersetzt also nicht Klimaanpassung; allmählich fangen wir an, die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren, und an diese sowie die uns noch bevorstehenden künftigen Auswirkungen gilt es sich anzupassen. Und das in einer umfassenden, transformativen Art und Weise – für punktuelle, inkrementelle Anpassungen ist es inzwischen zu spät.

Auf der anderen Seite gibt es aber ebenso Gründe, warum Klimaanpassung Klimaschutz nicht ersetzen kann. Dies liegt letztlich daran, dass die Ereignisse, die gerade (endlich) zu intensiveren Debatten über Klimapolitik führen, seien es Dürren, Hochwasser, eisfreie Arktis, Wald- und Buschbrände oder ungewöhnliche Wetterlagen durch die Abschwächung des Jetstream, aller Voraussicht nach nur ein Präludium sind. Was genau uns erwartet, wissen wir zwar nicht – die genauen lokalen Auswirkungen des Klimawandels sind mit hohen Unsicherheiten behaftet. Es ist aber recht klar, dass wir ohne Klimaschutz sehr bald an die Grenzen unserer Anpassungsfähigkeit stoßen dürften. Auch wenn die viel diskutierten Schwellenwerte von 1,5 oder 2°C über vorindustriellen Zeiten letztlich willkürliche, politisch motivierte Grenzen sind, gibt es hinreichende Hinweise darauf, dass es jenseits dieser Werte (sehr) ungemütlich wird. Zumal es sich hier um globale Temperaturanstiege handelt. In wärmeren Gegenden der Welt dürften diese schon verheerend sein, und bei uns im globalen Norden wird es bei einem globalen Anstieg von 2°C zu einem höheren regionalen Anstieg kommen (denn die Welt erwärmt sich an den Polen stärker als am Äquator). Mit anderen Worten – je mehr Klimaschutz wir betreiben, desto wahrscheinlicher reichen unsere Anpassungsanstrengungen aus (eine Garantie gibt es allerdings nicht, aufgrund unseres zu lang zu unambitionierten Handelns genauso wie aufgrund der oben erwähnten Trägheit des Klimasystems).
Kurzum: sowohl Klimaanpassung als auch Klimaschutz müssen sein. Die Frage bleibt jedoch, wer für die beiden zuständig ist. Klimaschutz ist ein öffentliches Gut und damit klar die Aufgabe des Staates (bzw. bei diesem globalen öffentlichen Gut: der Staatengemeinschaft). Klimaanpassung ist zwar kein reines privates Gut, denn von ihr sind auch die Infrastrukturen der Daseinsvorsorge betroffen (räumliche Planung, Infektionspolitik etc.), aber es ist definitiv kein rein öffentliches. Entsprechend sind übrigens die Motivationen für die beiden Strategien unterschiedlich – während individuelle Klimaanpassung eher rationalen Erwägungen folgt, sind die Motivationen hinter individuellen Beiträgen zum Klimaschutz stärker ethisch-altruistisch gelagert. Daraus und aus den oben diskutierten Gründen folgt meiner Meinung nach zwar, dass Anpassungsanstrengungen nicht grundsätzlich kontraproduktiv sind (anders als in diesem Artikel behauptet), aber aus Sicht des Staates konkurrieren beide um knappe Mittel, und zu viel Einmischung des Staates in Klimaanpassung kann tatsächlich Fehlanreize setzen. Die primäre Aufgabe des Staates sollte daher Klimaschutz sein, und seine Rolle im Bereich der Klimaanpassung sollte eher eine Versicherungs- und Daseinsvorsorgefunktion erfüllen – wo individuelle Anpassung aus verschiedenen Gründen (fehlendes Investitionskapital, soziale Dilemmata z. B. in der räumlichen Planung, individuell in der Höhe nicht versicherbare Risiken etc.) an ihre Grenzen stößt, kann und sollte der Staat eingreifen. Aber er sollte gleichzeitig und vor allem Anreize für private Vorsorge setzen.
Vor zwei, drei Jahrzehnten hätte vor allem der erste Teil dieses zweiteiligen Argumentes vielleicht noch anders ausgesehen. Da wir den Klimaschutz aber massiv verschleppt haben, kommen wir um Klimaanpassung inzwischen nicht umhin, selbst wenn wir weitere Treibhausgasemissionen morgen magisch stoppen könnten.