Mit bedingungslosem Grundeinkommen ins Zeitalter der Maschinen?

Ein häufig genanntes Argument für das bedinungslose Grundeinkommen (BGE) ist, dass es eine Antwort sei auf das kommende „Zeitalter der Maschinen“ – die Digitalisierung und Maschinisierung der Arbeitswelt. Abgesehen davon, für wie realistisch man solche Visionen einer weitgehend von Maschinen, Algorithmen und künstlichen Intelligenzen dominierten „Arbeits“welt hält, stellt sich die Frage, ob das BGE dieses vermeintliche Schreckensszenario mittelfristig nicht eher beschleunigen würde.

Das „Zeitalter der Maschinen“ hat viele Facetten – während man früher vor allem den Verlust einfacher Jobs an Maschinen befürchtete, sind es inzwischen auch intellektuell anspruchsvollere Tätigkeiten, bei denen man befürchtet, dass sie den raschen Entwicklungen vor allem im Bereich des Maschinenlernens zum Opfer fallen könnten. Im Folgenden werde ich mich primär auf Ersteres fokussieren, doch sind meine Überlegungen im Grunde auf jede Substitutionen von menschlicher durch nicht-menschliche „Arbeit“ anwendbar.

Die Grundannahme, von der ich ausgehe: auch wenn Menschen grundsätzlich aktive Tätigkeit für ihr Wohlergehen brauchen, ist es oft nicht unbedingt die Tätigkeit, für die sie tatsächlich bezahlt werden. Gerade bei „einfacheren“, körperlichen Tätigkeiten (aber auch beispielsweise in der Verwaltung) ist es oft der Fall, dass Menschen ihrem Beruf nicht wegen einer Berufung nachgehen, sondern weil sie Einkommen zum Überleben brauchen und ihnen keine attraktiven Alternativen offen stehen.1 Stellen wir uns nun vor, eine solche Person, die einem ihr unangenehmen Beruf nachgeht, bekomme ein staatlich finanziertes, bedingungsloses Einkommen in einer Höhe, die nicht nur das bare Überleben, sondern ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe ermöglicht (wie es den meisten BGE-Befürworter*innen vorschwebt). Diese Person sieht sich nun mit dem Anreiz konfrontiert, ihren bisherigen, ungeliebten Job aufzugeben. Wenn er ihr unangenehm genug war, d. h. wenn Einkommen (nahezu) der einzige Grund war, ihn auszuüben – wird sie es tun. Da es keinen Grund gibt, anzunehmen, dass ihr durch das BGE plötzlich attraktivere Jobs offen stehen würden – wird sie sich zumindest „erstmal“, mittelfristig, aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen und vom BGE leben.

Wenn wir nun annehmen, dass die Gruppe solcher Arbeitnehmer*innen nicht vernachlässigbar klein ist, wird ihr Rückzug aus dem Arbeitsmarkt zu einer Verknappung des Arbeitsangebots auf den betreffenden Teilarbeitsmärkten führen – und damit zu einem steigenden Preis der Arbeit, also steigenden Löhnen, die Arbeitgeber*innen nun bieten müssen, um die betreffenden Personen vielleicht doch dazu zu überzeugen, weiter zu arbeiten. Steigende Löhne sind prima facie natürlich eine feine Sache. Das Problem dabei ist, dass sie auch Ausdruck dessen sind, dass der Produktionsfaktor Arbeit relativ zu anderen Produktionsfaktoren teurer wird. Dies wiederum macht Substitute für Arbeit attraktiver, die sich bis dato nicht gelohnt haben – beispielsweise Maschinen oder künstliche Intelligenz. Wenn also zum Beispiel ein Teil der Putzkräfte beschließt, wegen der durchs BGE gesicherten Existenz mit der Arbeit aufzuhören, wird die erste Reaktion ihrer Arbeitgeber*innen wohl sein, ihnen höhere Löhne anzubieten, um nicht „im Dreck zu versinken“. Falls diese höheren Löhne die subjektive disutility der Arbeit als Putzkraft nicht aufwiegen können, werden die Arbeitgeber*innen sich nach Alternativen umsehen – und investieren womöglich in Putzroboter. Da diese eher nicht nach höheren Löhnen schreien werden, wird diese Substitution wahrscheinlich bis auf Weiteres irreversibel sein.

Das interessante daran ist, dass es ohne die Einführung des BGE zu dieser Substitution womöglich nie kommen würde. Erst das BGE triggert eine Kaskade von Ereignissen auf dem Arbeitsmarkt, an deren Ende das Ersetzen menschlicher Arbeit durch Maschinen und künstliche Intelligenz steht. Willkommen im „Zeitalter der Maschinen“.

Fußnoten

  1. Dies trifft nicht auf alle Menschen zu, nicht einmal unbedingt auf die Mehrheit – aber für die Gültigkeit meines Arguments reicht es aus, dass diese Gruppe nicht vernachlässigbar klein ist, und das scheint mir eine realistische Annahme zu sein.

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4 Gedanken zu “Mit bedingungslosem Grundeinkommen ins Zeitalter der Maschinen?

  1. Ich bin trotzdem für ein BGE. Arbeit besitzt heute keine Wert mehr, allein einen Haushalt zu führen ist fast unmöglich. Selbst zu zweit bleibt nicht viel, verdient man nicht wirklich gut. Auch wenn ich den Gedankengang interessant finde, dass der Arbeitgeber sich erst nach der Kündigung der Putzkraft einen Roboter suchen mag, wird er dies, so glaube ich, alsbald die Möglichkeiten vorhanden sind tun und die Putzkraft entlassen. Menschen sind so. Und Firmen sowieso.

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    • Dass Arbeit heute keinen Wert mehr hat (womit du niedrige Einkommen zu meinen scheinst), ist eine subjektive Einschätzung, die wohl auch davon abhängt, woran man sich orientiert. Ich z. B. komme aus Polen und habe Verwandte dort – daher weiß ich, dass das Einkommensniveau (auch in Kaufkraft bemessen) in Deutschland relativ hoch ist. Das durchschnittliche Einkommensniveau ist sogar sehr hoch – die Verteilung ist ein Problem. Meine Intuition ist, dass es sinnvollere und effektivere Mittel gibt, mit der krassen Ungleichverteilung von Einkommen umzugehen, als das BGE.

      Die Suche nach einem Roboter beginnt erst, wenn der Roboter günstiger wird (oder die Erwartung gerechtfertigt ist, dass er es werden könnte) als menschliche Arbeitskraft. Und da das BGE einen Einfluss auf den Preis menschlicher Arbeit hätte, hat es auch Einfluss auf die Entscheidung, sich nach einem Roboter umzusehen. Mir ist natürlich bewusst, dass auch ohne das BGE menschliche Arbeit durch Maschinen/künstliche Intelligenz wohl ersetzt wird. Die Frage ist, in welchem Ausmaß und ob das BGE dazu beiträgt oder Abhilfe verschafft.

      Mein Beitrag war vor allem von einer Beobachtung inspiriert: mein Eindruck ist, dass BGE-Befürworter*innen sich kaum Gedanken machen darüber, was das BGE mit dem Arbeitsmarkt anstellen würde. Es scheint wenig Reflexion zu geben jenseits von „Dann sind wir endlich nicht mehr vom Arbeitsmarkt abhängig, um zu überleben.“ Das ist zu kurz gedacht. Die Einführung eines BGE würde wohl sehr tiefgreifende strukturelle Veränderung in Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringen. Wie sie genau aussehen würden, ist unklar.

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      • Es ist eine interessante Überlegung, allerdings glaube ich nicht, dass das BGE, polemisch gesagt, für die Robocalypse verantwortlich gemacht werden kann. Es würden vermutlich jene Berufe darunter leiden, deren Personal sowieso früher oder später durch Technik ersetzt wird. Und das passiert immer wieder. Einsparungen durch Technik. War schon immer so, wird immer so bleiben. Auch muss man sehen, dass viele Menschen gerne arbeiten – der Großteil würde nicht von heute auf morgen kündigen, sondern vielleicht Stunden reduzieren, was wieder neue Arbeitsplätze schaffen würde. Denn in Österreich gibt es zu wenig Arbeit für zu viele Menschen. Und ja, dass in Polen die Situation anders ist als in Deutschland, trotzdem darf man einen gewissen Lebensstandard wollen. Nur weil es in anderen Ländern schrecklicher ist, bedeutet das nicht, dass wir demütig sein müssen, was unsere Zustände betrifft. Die Annahme, dass es anderen schlechter geht und man daher glücklich sein soll, ist nicht zielführend zur Gesamtverbesserung.

        Ich denke, dass BGE würde es zumindest vielen Haushalten erlauben, ein würdevolles Leben zu führen, ohne jeden Cent umdrehen zu und sich dafür undankbarer Job/Partner gefallen lassen müssen. Es geht in aller erster Linie um das Subjekt, nicht den Arbeitsmarkt. Der Arbeitsmarkt ist mir scheiß egal, wenn ich dafür gewisse Standards habe. Es würde Veränderungen mit sich bringen ja: Mehr/Sicheres Geld würde zwangsläufig zu glücklicheren Menschen führen, die gesündere/lokale Nahrung kaufen würden, und man als Gesesellschaft vielleicht generell mehr/sinnvoller konsumieren könnte. Ich sehe es positiv. Aber weder die deutsche, noch die österreichische Regierung würden diesen Versuch wagen, also keine Sorge 😉

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        • Ich glaube, so einfach ist das alles nicht. Meine Betonung der Bedeutung von Arbeitsmarkteffekten liegt nicht daran, dass ich dem Arbeitsmarkt als solchen irgendwelchen Wert zuweisen würde – sondern gerade daran, dass er für „das Subjekt“ und dessen Wohlergehen von Bedeutung ist. Mein Argument ist ja gerade, dass es durch das BGE dazu kommen könnte, dass Menschen, die eigentlich gern arbeiten würden (gern im reduzierten Ausmaß), gar keine Arbeit mehr finden.

          Ich weiß nicht, wie es in Österreich aussieht (obwohl ich nicht glaube, dass die Situation so viel anders ist als in Deutschland), aber hierzulande gibt es eher einen Überhang an offenen Stellen – bloß passen die Leute, die keinen Job haben, aus vielen Gründen nicht auf diese Stellen (Bildung, Wohnort etc.). Das bedeutet aber, dass eine Stundenreduktion, die du erwähnst, nicht zwangsläufig zu neuen Arbeitsplätzen führen würde – eben weil der Arbeitsmarkt komplizierter funktioniert.

          Wie bereits gesagt: der durchschnittliche Lebensstandard in Deutschland (und in Österreich) reicht nach meiner Beobachtung völlig aus. Es ist eine Frage der Umverteilung.

          Ob das BGE „sicheres Geld“ bedeuten würde, kommt darauf an, ob es nachhaltig finanzierbar wäre (da habe ich meine Zweifel).

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