Eine häufige Kritik an politischen Klimaschutzmaßnahmen, in Deutschland insbesondere am Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG), betrifft die Ungleichverteilung ihrer Kosten. Da ärmere Haushalte üblicherweise einen höheren Anteil ihres Einkommens für Strom und Heizung ausgeben, werden sie disproportional von Erhöhungen der Energiepreise getroffen, die von EEG oder dem EU-Emissionshandelssystem ausgehen. Doch obgleich die Aufmerksamkeit für die sozialen Auswirkungen der Energiewende löblich ist, wird der Fokus dabei üblicherweise ausschließlich auf die Kostenseite gelegt – die spiegelbildliche Ungleichverteilung der Nutzen wird dabei übersehen.
Ob EEG, Emissionshandelssystem oder eine noch hypothetische CO2-Steuer – alle relevanten klimapolitischen Instrumente führen zu einer Verteuerung von Energie, zumindest sofern diese durch Verbrennung fossiler Energieträger gewonnen wird. Und da diese Energieträger nach wie vor einen erheblichen Anteil an der Energieproduktion haben, bedeutet ernsthafter Klimaschutz zwangsläufig höhere Energiepreise. Das ist zunächst „im Sinne des Erfinders“ – die erhöhten Preise sollen einen Anreiz bieten, (i) mit Energie sparsamer und effizienter umzugehen sowie (ii) Alternativen zu fossilen Brennstoffen zu suchen, um der finanziellen Belastung auszuweichen. Problematisch dabei sind die Verteilungswirkungen – ähnlich dem Engel’schen Gesetz für Lebensmittelausgaben, gilt auch für Energieausgaben tendentiell, dass ihr Anteil an den Gesamtausgaben eines Haushalts mit steigendem Einkommen sinkt. Mit anderen Worten: ärmere Haushalte sind von Erhöhungen der Energiepreise überproportional betroffen. Dies wird oft genug nicht nur von der Bild-Zeitung, sondern auch von ernstzunehmenden Kritikern insbesondere gegen das EEG bzw. konkret die alljährlich steigende EEG-Umlage ins Feld geführt. Doch auch ein ernst gemeintes Cap im EU-Emissionshandelssystem oder eine CO2-Steuer hätte ähnliche distributive Wirkungen.
Einige Probleme ließen sich zumindest abschwächen, ohne dass man die betroffenen klimapolitischen Instrumente gleich abschaffen müsste. Beim EEG wäre ein erster Schritt eine drastische Reduktion der Ausnahmeregelungen für exportorientierte (und eigentlich zahlungsstarke) Unternehmen, die dazu führen, dass die EEG-Kosten auf andere Akteure, wie bspw. Privathaushalte, umgewälzt werden. Bei Emissionshandelssystem und CO2-Steuer gibt es ebenfalls Vorschläge, wie man die unerwünschten distributiven Effekte auffangen könnte – beim Emissionshandel beispielsweise durch ein cap-and-dividend-System, bei dem die Emissionszertifikate am Anfang einer Handelsperiode versteigert werden (statt auf Grundlage historischer Emissionen zugeteilt) und der Staat/die EU die Einnahmen anschließend pauschal an Haushalte ausschüttet. Eine pauschale Ausschüttung hätte gar den Vorteil, dass sie ärmere Haushalte bevorzugen würde (100€ bringen jemandem mit 2000€ Monatseinkommen mehr als jemandem, der in diesem Zeitraum 15.000€ verdient). Im Kontext der CO2-Steuer wird schon lange die verwandte Idee der „doppelten Dividende“ diskutiert, gemäß derer die zusätzlichen Staatseinnahmen dazu genutzt werden, Haushalte an anderen Stellen (z. B. Einkommenssteuer) zu entlasten. Im Großen und Ganzen handelt es sich hier also primär um ein Ausgestaltungsproblem, weniger um eine prinzipielle Unzulänglichkeit klimapolitischer Instrumente.
Natürlich bringen diese Überlegungen einer einkommensschwachen Familie, die Probleme hat, angesichts steigender EEG-Umlage oder der Einführung einer CO2-Steuer, ihre Stromrechnung zu bezahlen, akut wenig. Daher sind Anpassungen in der Ausgestaltung klimapolitischer Instumente zwingend, um die negativen Verteilungswirkungen abzuschwächen oder gar zu beseitigen. Gleichwohl ist es eine einseitige Argumentationsweise, diesen Instrumenten ihre kostenseitigen Verteilungswirkungen vorzuwerfen, ohne die Verteilungseffekte auf der Nutzenseite in den Blick zu nehmen.
Fußnoten
- Drupp et al. zeigen, dass dies für ein reines öffentliches Umweltgut gilt, d. h. eines, das perfekt homogen verteilt ist. Solche Güter gibt es in der Realität nicht, viele Umweltgüter sind lokale öffentliche Güter, was zu den im Text erwähnten Segregationseffekten führt – und das Argument noch verstärkt.