Bioökonomie in einer begrenzten Welt

Mit ihren vielfältigen Möglichkeiten kann die Bioökonomie einen wichtigen Beitrag zur Lösung globaler Probleme leisten. Darunter fallen die Gesundheit und Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung, deren nachhaltige Versorgung mit Energie, Wasser und Rohstoffen sowie der Boden, Klima- und Umweltschutz.

Bioökonomie ist in der EU und insbesondere in Deutschland gerade das Buzzword der Stunde. Sogar das vom BMBF finanzierte Projekt, in dem ich die nächsten paar Jahre arbeiten werde und in dem sich kaum jemand explizit mit diesem Konzept befasst, heißt Boden als nachhaltige Ressource in der Bioökonomie (Bonares). Wie das obige Zitat, das ich der Homepage des Bioökonomierates entnommen habe, suggeriert, soll die Bioökonomie zur Lösung so ziemlich aller Umwelt- und verwandter Probleme beitragen, mit denen wir uns zur Zeit konfrontiert sehen.

Entgegen ihrem Namen ist die Bioökonomie kein ökonomisches Konzept – ihren Ursprung hat die Idee vielmehr im Bereich der Biotechnologie, und auch heute noch ist die betreffende Literatur und Forschung sehr bio- und ingenieurwissenschaftlich geprägt. Was Bioökonomie genau ist, ist dabei nicht wirklich klar. Für manche umfasst sie ausschließlich innovative Biotech- und verwandte Sektoren, in denen Biomasse (im weitesten Sinne) genutzt wird, um nicht-nachwachsende Rohstoffe in Produktionsprozessen zu ersetzen. Andere, so z. B. der deutsche Bioökonomierat, fassen darunter alle Wirtschaftssektoren zusammen, die irgendwas aus Biomasse herstellen – einschließlich der Landwirtschaft. Nachdem der ursprüngliche Fokus fast ausschließlich auf neuartigen, „bio-basierten“ Materialien/Rohstoffen lag, öffnet sich das Konzept zunehmend und wird umfassender – so z. B. durch die explizite oder implizite Verknüpfung mit den älteren Ideen der Kreislaufwirtschaft.

Wie das obige Zitat nahelegt, hat die Bioökonomie hehre Ziele – Welthunger bekämpfen, zum Klimaschutz beitragen, Ressourcendruck mildern etc. Insbesondere die letzteren beiden „Potenzialfelder“ liegen auch prima facie auf der Hand – der anthropogene Klimawandel wird von der Verbrennung fossiler Energieträger getrieben (Erdöl, Erdgas, Kohle); zwar sind fossile Brennstoffe letztlich auch mal Pflanzen gewesen, die das CO2, das bei ihrer Verbrennung freigesetzt wird, einmal aus der Atmosphäre absorbiert hatten – doch die Diskrepanz zwischen den Zeiträumen, in denen dies geschehen ist, und denen, die wir brauchen, um diese Ressourcen zu verbrennen, hat einen ungünstigen Einfluss auf das Klimasystem. Da ist es naheliegend, diese fossilen Energieträger mit solchen zu ersetzen, die CO2 gerade eben erst absorbiert haben. Das wird auch bereits seit einiger Zeit versucht – aus unseren Steckdosen kommt mitunter Strom aus Bioenergie, unsere Heizanlagen nutzen Biogas oder verschiedene Formen verarbeiteten Holzes, und unsere Autos haben zumindest teilweise Anteile von Biokraftstoffen im Tank. Doch nicht nur Energieträger werden zunehmend durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt. Immer verbreiteter sind bspw. Biokunststoffe: Polymere, die meistens auf Lignin-Basis geschaffen werden und mitunter ähnliche Eigenschaften aufweisen wie Erdöl-basierte Kunststoffe (sie sind allerdings in der Regel wesentlich aufwendiger in der Herstellung). Da Erdöl eine endliche, aber gleichzeitig sehr gefragte Ressource ist – nicht nur als Brennstoff, sondern auch als Basis für die Herstellung von Kunststoffen, Pharmaka und vielem anderen mehr –, wäre es durchaus sinnvoll, sich allmählich nach nachwachsenden Alternativen umzusehen. Gleichwohl sollte man sich aber nicht den weit verbreiteten Illusionen hingeben, dass bio-basierte Kunststoffe das Plastikverschmutzungs-Problem zu lösen vermögen – ein bio-basiertes Polymer ist grundsätzlich genauso schlecht abbaubar wie eines auf Erdölbasis.

Doch insbesondere das Versprechen des Bioökonomierates, die Bioökonomie würde zur Lösung des Welternährungsproblems beitragen, macht erst einmal stutzig. Denn neben den vielen technologischen Problemen bio-basierter Rohstoffe, die vor allem daher rühren, dass Pflanzen nun mal wesentlich komplexer und inhomogener sind als Erdöl oder Steinkohle, und auch eine wesentlich geringere Energiedichte aufweisen, sodass sie zu Marktpreisen eher schlecht mithalten können (da Marktpreise soziale Kosten nicht widerspiegeln) – neben diesen technologischen Schwierigkeiten ist das bisherige Hauptproblem der Bioökonomie, dass sie den Druck auf die Landwirtschaft gerade erhöht. Irgendwoher müssen die Pflanzen für die Herstellung bio-basierter Rohstoffe kommen; für ihren Anbau müssen bisher entweder Nahrungsmittelanbau oder natürliche Ökosysteme weichen. Beides ist nicht wirklich im Sinne der oben zitierten Versprechen.

Nun ist das alles natürlich nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Auf der einen Seite ließe es sich einwenden, dass zzt. viele Ressourcen in Forschung fließen, die versucht, land- und forstwirtschaftliche Abfälle für die Herstellung bio-basierter Rohstoffe zu nutzen, anstatt Mais, Frischholz oder Zuckerrohr zu verwenden. Allerdings muss man bedenken, dass gerade in der Landwirtschaft die vermeintlichen Abfälle ihre Rolle haben – als Dünger, Futter, Erosionsschutz –, insbesondere wenn es Landwirtschaft ist, die an Kreislaufgedanken orientiert ist. Auf der anderen Seite ist auch die Ernährungsfrage viel komplexer, als sie in öffentlichen Debatten oft dargestellt wird. So lässt sich beispielsweise die vielzitierte Prognose, wir bräuchten 70-100% mehr Nahrungsmittel, wenn die Weltbevölkerung (was wahrscheinlich passieren wird) auf 9-10 Milliarden Menschen anwächst, in Zweifel ziehen. Und auch die Konsequenzen dieser Entwicklung für natürliche Ökosysteme hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt davon, was für eine Landwirtschaft sich durchsetzen wird. Zuletzt gilt es zu bedenken, dass die globale Nahrungsmittelproduktion (einschließlich des Transports, der Lagerung, des Konsums) sehr ineffizient und verschwenderisch ist – die Behebung dieser Ineffizienz und Verschwendung würde nicht nur den Druck auf natürliche Ökosysteme mindern, sondern ggf. auch mehr Material für die Bioökonomie bereitstellen, ohne dass Konflikte zur Nahrungsmittelproduktion entstehen müssten.

Food flows_Alexander et al
Globale Verluste von Biomasse/Energie/Proteinen entlang der Wertschöpfungsketten der Nahrungsmittelproduktion (aus Alexander et al. (2017): Losses, inefficiencies and waste in the global food system. Agricultural Systems 153: 190-200.)

All dies sind enorm komplexe Probleme, und das obwohl ich sie sehr vereinfacht dargestellt habe. Das Hauptproblem des Konzepts der Bioökonomie in seiner derzeitigen Form besteht darin, dass es sich diesen Fragen kaum widmet – wie eingangs erwähnt, ist es bisher sehr technologisch orientiert. Die technologische Seite ist natürlich enorm wichtig – wenn wir keine bio-basierten Kunststoffe herstellen können, keine effizienten Biogasanlagen etc., dann kommen wir von fossilen Rohstoffen erst einmal nicht weg. Doch Technologie allein dürfte die vielen globalen Probleme nicht lösen, es bedarf umfassender Ansätze. Bereits der Begriff Bioökonomie legt nahe, dass es um etwas umfassendes, um ein System geht, in dem nicht nur Technologien, sondern auch Beziehungen zwischen Teilsystemen, Knappheiten, Präferenzen, Werte etc. relevant sind. Damit Bioökonomie wirklich zur Nachhaltigkeit beitragen kann, müssen all diese Komponenten mitgedacht werden.

P.S. Siehe auch diesen Blog-Beitrag zur Bioökonomie und Biokultursystemen.

 

Ein Gedanke zu “Bioökonomie in einer begrenzten Welt

  1. Ja du hast die Probleme der Bioökonomie gut zusammengefasst. Wenn es einfach nur ein Ansatz ist fossile Ressourcen durch biologische zu ersetzen, weil diese „erneuerbar“ sind, erzeugt dies reihenweise Probleme. Die Produktion von Energie und „Biomasse“ durch Lebewesen ist auf unserem Planeten eben begrenzt. Außerdem würde eine Verabsolutierung des Bioökonomie-Ansatzes dazu führen, dass Lebewesen nur noch für die industrielle Produktion da sind. In einer solchen Welt möchte ich eigentlich nicht Leben.

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