Ich bin heute aufmerksam gemacht worden auf ein Video des New Scientist (das man sich hier ansehen können müsste; der dazugehörige Artikel ist leider hinter einer Paywall), das eine einfache und vermeintlich klare Botschaft vermittelt: wenn man den Planeten retten möchte, sollte man aufhören, den gemeinhin als Bio-Lebensmittel bekannten „Unsinn“ (mumbo jumbo) zu kaufen. Die Argumente sind knapp und bestechend: Bio-Landwirtschaft verbrauche mehr Fläche als konventionelle Landwirtschaft, u. a. führe es zu Regenwald-Rodungen, und überhaupt sei Gentechnik die bessere Lösung, weil man mit ihrer Hilfe bspw. die Stickstoffaufnahme-Effizienz von Anbaupflanzen erhöhen könne. Ich habe schon lange nicht mehr eine so einseitige Argumentation gesehen.
Auch den Punkt über grüne Gentechnik finde ich problematisch (und das obwohl ich kein Gentechnik-Gegner bin). Das Video behauptet, dass Gentechnik die Lösung sei, weil sie z. B. wesentlich effizientere Aufnahme von Nährstoffen durch Anbaupflanzen begünstigen kann. Das stimmt – sie hat das Potenzial dazu. Doch aus vielen Gründen – u. a., weil derartige Genom-Modifikationen alles andere als einfach sind – war der Fokus kommerzieller Gentechnik bisher eher auf Herbizidresistenz und die Bildung pflanzeneigener Toxine (als Pestizid-Ersatz). Dies könnte sich allerdings bald ändern – das Aufkommen des CRISPR/Cas Genome Editing, einer neuen Technologie, die genetische Veränderungen präzise und dabei viel einfacher und kostengünstiger als bisher umsetzen lässt, schafft ganz neue Potenziale. U. a. scheint CRISPR/Cas eine Hinwendung zur Cisgenese zu bewirken, d. h. zur „konventionellen Züchtung“ mit biotechnologischen Mitteln (die in dem New-Scientist-Video erwähnt wird mit dem Verweis auf sog. naturidentische Gentechnik, d. h. solche, deren Ergebnisse von Ergebnissen konventioneller Züchtung oder natürlicher Mutation nicht unterscheidbar sind). Dies führt dazu, und hier kommt die New-Scientist-Argumentation endgültig ins Schlittern, dass Befürworter der Bio-Landwirtschaft beginnen, ein Umdenken in Bezug auf die Vereinbarkeit von biologischen Anbaumethoden mit Genome-Editing-gestützter Züchtung zu fordern. Derartige Stimmen fand man übrigens bereits bevor CRISPR/Cas Genome Editing entwickelt wurde (siehe dieses Buch).
Ich kann leider nicht beurteilen, wie gut (oder schlecht) die Argumentation in dem New-Scientist-Artikel ist, der dem hier besprochenen Video zugrunde liegt. Das Video selbst ist allerdings ein Paradebeispiel für eine ideologisch diktierte, irreführend selektive Darstellung von wissenschaftlichen Ergebnissen. Dass Bio-Landwirtschaft gut ist, ist nicht eindeutig bewiesen; aber das Gegenteil eben mindestens genauso wenig.