An die Landwirtschaft werden hohe Anforderungen gestellt. Neben ihrer traditionellen Rolle als Quelle von Lebensmitteln soll sie auch Rohstoffe für die Bioökonomie (Bioenergie, Biomaterialien) liefern, zum Biodiversitäts- und Klimaschutz beitragen, die Gewässer sauber halten, Kulturlandschaften erhalten und pflegen. Mit anderen Worten: sie soll multifunktional werden. Und das alles, während sie mit Klimawandelfolgen, insbesondere Trockenheit, zurecht kommen muss. Eine zentrale Rolle spielen hierbei Fruchtfolgen, also die Abfolge verschiedener Pflanzen (Feldfrüchte), die auf einem Acker über die Jahre wachsen. Doch damit die Fruchtfolgen diverser werden können, muss sich das Konsumverhalten ändern.
Diversität auf dem Acker
Fruchtfolgen sind aus gleich mehreren Gründen wichtig. Rein agronomisch betrachtet beugt eine gut gestaltete, an die Standortbedingungen angepasste Fruchtfolge Nährstoffungleichgewichten vor. Baut man im Extremfall Jahr für Jahr immer nur dieselbe Frucht an (die korrekte Definition von Monokultur), werden dem Boden immer die gleichen Nährstoffe entzogen – er wird ausgelaugt. Auch kann die Fruchtfolgengestaltung das Risiko von Krankheiten reduzieren, denn Pathogene fühlen sich besonders wohl, wenn immer die gleichen Pflanzen in sogenannter Selbstfolge auf dem Acker sind. Das geht bei manchen Pflanzen (z. B. Mais) noch ganz gut, bei anderen (z. B. Gerste oder Kartoffeln) kann es sehr schnell schiefgehen. Die Große Hungersnot in Irland (1845–1849), in derer Folge eine Million Menschen starben und weitere zwei Millionen auswanderten, wurde durch monokulturellen Anbau von Kartoffeln und den Einbruch der Kartoffelfäule ausgelöst. Aber auch verschiedene Pflanzen kann man nicht beliebig aufeinander folgen lassen – hierzu gibt es ausgeklügelte Übersichten (s. Abbildung). Zuletzt ist die Fruchtfolge eine Strategie zum Umgang mit dem Marktrisiko – wenn es dieses Jahr mit Weizen nicht gut funktionierte (Preise niedrig), klappt es nächstes Jahr mit Zuckerrüben vielleicht. Wegen der sich oft sehr kurzfristig ändernden Marktlage werden daher auch feste, lehrbuchartige Fruchtfolgen immer häufiger spontan unterbrochen und angepasst.

Doch auch für die „neuen“ Anforderungen an die Landwirtschaft sind diverse Fruchtfolgen wichtig. Die Integration von tiefwurzelnden Pflanzen (z. B. Raps) und Zwischenfrüchten verbessert die Bodenqualität und schützt vor Erosion. Der damit verbesserte Humusaufbau trägt zum Klimaschutz bei (Kohlenstoff wird im Boden gespeichert) und hilft bei der Anpassung an den Klimawandel (humusreicher Boden speichert mehr Wasser). Die Integration von Leguminosen (Hülsenfrüchtlern) in die Fruchtfolge hilft, den Düngemitteleinsatz zu reduzieren, weil Leguminosen mithilfe von symbiotischen Bakterien Stickstoff aus der Luft im Boden anreichern. Und für die Biodiversität scheint die Landschaftsstruktur entscheidend zu sein – die neben Landschaftselementen und der Größe von Ackerschlägen eben auch durch diverse Fruchtfolgen bestimmt wird. Denn Fruchtfolgen haben nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine räumliche Dimension – Nachbarfelder sind meistens gegeneinander „versetzt“ hinsichtlich der Fruchtfolge, wodurch ein Mosaik aus verschiedenen Pflanzen mit verschiedenen Vegetationsverläufen und Habitateigenschaften entsteht.
Obwohl lange und diverse Fruchtfolgen aus vielen Gründen sinnvoll wären, sind sie aktuell recht kurz und eintönig. Das sieht man bereits in aggregierter Form, wenn man sich die Verbreitung verschiedener Feldfrüchte für Deutschland anschaut. Laut dem Statistischen Bundesamt gibt es gerade mal vier Feldfrüchte, die 2022 auf mindestens einer Million ha angebaut wurden (von ca. 11,5 Mio. ha Ackerfläche in Deutschland): Weizen (~3 Mio. ha), Silomais (~2 Mio. ha), Gerste (~1,6 Mio. ha) und Raps (~1,1 Mio. ha). Roggen ist die einzige weitere Frucht, deren Anbaufläche 500 Tausend ha überschreitet. Auf mehr als 100 Tausend ha (knapp unter 1% der Anbaufläche) findet man noch jeweils Körnermais, Zuckerrüben, Futterleguminosen, Triticale, Feldgras, Kartoffeln, Hafer und Erbsen. Dabei sollte man beachten, dass für die meisten Betriebe eine Fruchtfolge von mindestens drei Feldfrüchten im Rahmen der Konditionalität (früher: Greening) der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgeschrieben ist. In der Fallstudienregion von AgriScape, Nordwestsachsen, ist der Anbau von vier Früchten typisch, im Ökolandbau sind es fünf bis sechs. Gleichwohl erwarten die dortigen Stakeholder mittelfristig einen Anstieg auf zumindest fünf Früchte im konventionellen Anbau, als Reaktion auf den Klimawandel und die mit ihm einhergehende Trockenheit.
Woran liegt es? Warum sind die Fruchtfolgen nicht länger und diverser, trotz der zu erwartenden Vorteile für die Betriebe selbst und für die Umwelt? Ein Grund ist, dass verschiedene Früchte unterschiedliche Anforderungen haben, im Extremfall auch hinsichtlich der Maschinen, die man für ihren Anbau braucht (z. B. Kartoffeln, Zuckerrüben, Mais). Aus betriebswirtschaftlichen Gründen ist eine gewisse Spezialisierung notwendig. Auch wächst nicht jede Frucht überall gleich gut – Zuckerrüben auf Sandböden sind beispielsweise keine allzu gute Idee. Manche Früchte machen vor allem Sinn, wenn man sie verfüttern kann, wofür man aber erstmal Tiere braucht (z. B. die mehrjährige Luzerne). Auch wenn lange Fruchtfolgen agronomisch durchaus sinnvoll sind, kann man sie also nicht überall beliebig umsetzen. Dennoch wäre agronomisch durchaus Potenzial vorhanden. Was aber fehlt, ist die Nachfrage nach den zusätzlichen Früchten – eine wesentliche Beschränkung des Handlungsspielraumes von landwirtschaftlichen Betrieben. Wenn wir als Gesellschaft wollen, dass diversere Fruchtfolgen für den Biodiversitäts- und Klimaschutz angebaut werden, müssen wir uns auch darauf einstellen, die hinzukommenden Früchte zu essen.
Diversität auf dem Teller
Gerade im Hinblick auf den Klimawandel wäre nicht nur eine Erweiterung von Fruchtfolgen sinnvoll, sondern auch ihre Veränderung durch Ergänzung von neuen, bspw. trockenheitsresistenten Pflanzen, bis hin zur (teilweisen) Verdrängung von heutzutage dominanten Feldfrüchten. Soja, Kichererbsen, Amaranth, Buchweizen wären ein paar mögliche Beispiele, mit denen hier und da bereits experimentiert wird. Doch das Experimentieren mit neuen Feldfrüchten und damit einhergehenden Anbaumethoden setzt unter anderem einen finanziellen Spielraum voraus – der angesichts niedriger Einkommen in der Landwirtschaft oft nicht gegeben ist. Hier wäre grundsätzlich eine höhere Zahlungsbereitschaft von Konsument:innen notwendig, begleitet von innovativen Geschäftsmodellen (z. B. Direktvermarktung) sowie staatlichen Maßnahmen, die sicherstellen, dass das zusätzliche Geld zu den Betrieben durchsickert, anstatt auf den anderen Stufen der Wertschöpfungskette hängen zu bleiben.
Jenseits dieser grundsätzlichen Zahlungsbereitschaft gibt es aber einige Möglichkeiten, über die Diversifizierung des eigenen Speiseplans zur Diversifizierung von Fruchtfolgen beizutragen.
An dieser Stelle gibt es eine interessante Wechselwirkung mit der anderen wichtigen Maßnahme, um die negativen Umweltauswirkungen der Produktion und des Konsums von Lebensmitteln zu reduzieren – der Reduktion der Tierhaltung. Aktuell ist die Tierhaltung ineffizient hoch, sodass Ackerfläche genutzt wird, um Futterpflanzen anzubauen. Ein gewisser Anteil von Futterpflanzen in der Fruchtfolge ist wohl zumindest mittelfristig sinnvoll, um sie divers zu halten. An sich sollte das Ziel aber sein, nur das an Tiere zu verfüttern, was wir selbst nicht essen können – insbesondere Lebensmittelabfälle (an Schweine), für uns ungenießbare Erntereste (Rapspresskuchen, Sojaschrot) sowie Gras (an Wiederkäuer). Grünland ist ein sehr wertvoller Lebensraum und kann nur erhalten werden, wenn es (extensiv) gemäht und beweidet wird. Da wir Gras nicht essen können, ist es angesichts knapper Landfläche nur effizient, es zu tierischen Nahrungsmitteln zu „veredeln“. Doch aktuell landet noch viel zu viel für Menschen Essbares in Tiermägen.
Das betrifft z. B. Hülsenfrüchte (Leguminosen). Wie oben bereits dargestellt, können Leguminosen in diversen Fruchtfolgen eine sehr wichtige Rolle spielen. Aktuell ist die Nachfrage nach ihnen für den menschlichen Verzehr jedoch zu gering, sodass vor allem Futterleguminosen angebaut werden. Dabei wäre es auch für uns Menschen durchaus gesund, mehr Hülsenfrüchte zu essen – auch als Proteinquelle bei sinkendem Konsum von Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs. Die Bundesregierung hat schon vor Jahren eine „Eiweißpflanzenstrategie“ ausgerufen. Aber damit diese funktioniert, muss diese Eiweißpflanzen jemand essen.

(CC BY-SA 3.0 Claus Ableiter)
Ein weiteres Beispiel bietet (Back-)Weizen. Eigentlich die dominante Feldfrucht in Deutschland, lohnt Weizen sich vor allem, wenn er Backqualität hat, was heutzutage am Proteingehalt gemessen wird. Diesen Proteingehalt erreicht man an schlechteren Standorten oder mit weniger effizienten Sorten (derer es beim Weizen grundsätzlich sehr viele gibt) nicht. Entweder lässt man Weizen dort also weg oder er landet im Futtertrog. Dabei zeigt die Forschung schon länger, dass Proteingehalt ein sehr kruder Indikator für Backqualität ist. Wir müssten vermutlich unsere Geschmackserwartungen etwas anpassen, könnten dann aber unter Umständen a) Weizen effizienter (nämlich ohne den Umweg der Veredelung) nutzen und b) eine größere Diversität von Sorten und Standorten ermöglichen.
À propos Brot und Gebäck: Es gibt sehr viele Getreidepflanzen, die man zum Backen grundsätzlich nutzen kann. Diversere Essgewohnheiten beim Gebäck würden auch einen Beitrag zur Diversifizierung von Fruchtfolgen leisten – und in vielen Fällen auch zur Gesundheit von Konsument:innen.
Ein interessantes Beispiel bietet die Gerste. Hierzulande wird sie nahezu ausschließlich als Tierfutter (Wintergerste) oder zum Brauen von Bier (Sommergerste) verwendet. Dabei kann Letztere auch direkt gegessen werden – zum Beispiel als Graupen. Wer mal in Polen ist, dem kann ich die dort als Beilage recht populäre kasza jęczmienna nur empfehlen. Auch hierzulande könnte sie wieder jenseits der kontroversen Graupensuppe (in Polen ebenfalls populär als krupnik) mehr Beachtung finden. Auch Buchweizen kann man (bevorzugt in gerösteter Form) übrigens sehr gut als Beilage nutzen, insbesondere für herzhafte Gerichte (Inspirationsquelle einmal wieder: Polen, kasza gryczana).
Letztlich zeigt das Problemfeld „Diversität von Fruchtfolgen“ eindrucksvoll, dass eine einseitige Fokussierung auf die Erzeugung im Kontext der Landwirtschaft zu kurz kommt. Da es sich hier immer noch primär um eine Quelle von Lebensmitteln handelt (trotz der langsamen Bewegung in Richtung Bioökonomie), sind viele Produktionsentscheidungen davon bestimmt, was abgesetzt werden kann – also letztlich, was nachgefragt bzw. gegessen wird. In diesem Sinne erfordert die Erhöhung der Diversität auf dem Acker eine parallele Entwicklung hin zu mehr Diversität auf dem Teller. Und das Schöne daran – das dürfte tatsächlich mal eine Entwicklung sein, die gleichzeitig für die Klimaresilienz der Landwirtschaft, für Biodiversitäts- und Klimaschutz sowie für die Gesundheit der Konsument:innen gut wäre. Und das sage ich, der sich die Erforschung von Zielkonflikten auf die Fahnen geschrieben hat.
Ja da stimme ich zu. Mehr Diversität auf dem Teller verlangt dann nach einer anderen Esskultur und Kulinarik auf Seiten der Konsumierenden, dass ist ein ziemlich dickes Brett, da dies den Alltag der Menschen betrifft und viele Menschen schlicht wenig Zeit und Ressourcen haben sich mit ihrer Esskultur auseinander zu setzen. Vermarktung und Vertrieb sind dann sicherlich auch entscheidend. Ganz grundlegend und von dir angesprochen (aus betriebswirtschaftlicher) Sicht sind – meiner Meinung nach – die economies of scale also die Reduktion der Kosten bei einer Erhöung der Produktionsmenge. Ich bin zwar kein Ökonom aber das erscheint mir einerseits rein logisch und aus Interviews mit Landwirten sehr zentral. Und dann natürlich der umgekehrte Verbundeffekt (economies of scope): https://wp.me/p7KlYM-JT
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Der Engpass ist nicht der fehlende Konsum im Privatsektor sondern die fehlende Nachfrage durch Unternehmen, die die Rohstoffe der Landwirte zu konsumfertigen oder sonstwie nachgefragten Produkten verarbeiten. Zwei Beispiele nur: In der Region Emsland wird auf mehreren hundert ha Hanf angebaut, weil jenseits der deutsch-niederl. Grenze ein industrieller Abnehmer existiert. Stärkekartoffeln, deren Endprodukt die Kartoffelstärke überwiegend im gewerblich-industriellen Bereich verwendet wird, kann nur dort angebaut werden und die Fruchtfolge erweitern, wo es eine entsprechende Fabrik gibt.
Landwirtschaft ist immer, selbst bei weitgehend konsumfähigen Produkten wie Obst und Gemüse (wegen der Saisonalität und des temporären Überangebots) auf industrielle Verarbeitung und die Existenz entsprechender Unternehmen angewiesen.
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Das ist ein wichtiger Punkt (auf den übrigens Malin Gütschow, die jetzt in meiner Nachwuchsgruppe promoviert, in ihrer Masterarbeit und der damit einhergehenden Publikation einging; s. zusammenfassender Beitrag hier). Allerdings sehe ich das als miteinander verbunden. Was Unternehmen nachfragen, spiegelt in vielen Fällen wider, was Konsument:innen weiter „oben“ in der Wertschöpfungskette nachfragen. Bei Rohstoffen, die nur im industriellen Produktionsprozess eine Rolle spielen und in Endprodukten „untergehen“, ist der Link natürlich sehr schwach bis nicht mehr vorhanden. Das trifft auf Kartoffelstärke eventuell zu; auf Hanf vermutlich weniger – um die beiden genannten Beispiele zu nehmen.
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