Wem gehört der Boden?

Dieser Beitrag wurde zunächst auf dem Blog des Ecosystem Service Partnership Deutschland veröffentlicht (ESP DE).

Landwirtschaftliche Böden sind eine essentielle natürliche Ressource, die weltweit stark übernutzt ist. In unserem Artikel widmen wir uns der institutionen- bzw. verfügungsrechtsökonomischen Frage, wem sie gehören und was dies für Konsequenzen für ihre nachhaltige Nutzung hat.

Ausgangspunkt hierfür ist eine Reflexion über die Ökosystemleistungen, die von landwirtschaftlichen Böden bereitgestellt werden. Grundsätzlich kann man sagen, dass kein terrestrisches Ökosystem ohne Boden auskommen kann – in diesem erweiterten Sinne sind alle Ökosystemleistungen dem Boden zuzurechnen. Doch natürlich wäre es analytisch nicht sehr hilfreich, die Definition von Boden-Ökosystemleistungen so breit zu formulieren. Stattdessen ist es nützlich, sich des Konzepts der ecosystem service providing units (SPU) zu bedienen. Interessanterweise stellt man dabei fest, dass diejenige Ökosystemleistung, die meistens primär mit Böden assoziiert wird – Nahrungsmittelproduktion – ihnen nur sehr bedingt zugerechnet werden kann. Denn die SPU der Nahrungsmittelproduktion ist in den meisten Fällen die oberirdische Vegetation. Gleichwohl ist ein fruchtbarer Boden für die effiziente Erbringung dieser Ökosystemleistung unentbehrlich. Doch die „eigentlichen“ Boden-Ökosystemleistungen sind vielmehr öffentliche Güter wie Wasserfiltrierung und –speicherung, Nährstoffumsatz, Biodiversität oder CO2-Sequestrierung. Fest steht, dass landwirtschaftliche Böden viele verschiedene Leistungen erbringen bzw. zu ihrer Erbringung essentiell beitragen.

Idealiter müssten für jedes Attribut (im Sinne der Konsumtheorie von Kelvin Lancaster und der auf ihr aufbauenden verfügungsrechtsökonomischen Ansätze) des Gutes „Boden“ – d. h. für jede einzelne Boden-Ökosystemleistung – gesondert Verfügungsrechte formuliert werden, abhängig vom ökonomischen Gutscharakter (private Güter vs. kollektive Güter – s. Abbildung 1) und betroffenen Stakeholdern. Diese first-best-Lösung scheitert offensichtlich an Transaktionskosten der Durchsetzung dieser Verfügungsrechte, gerade bei kollektiven Gütern, wo der Zugang bzw. die Nutznießung per Definition nicht verhindert werden können (Nicht-Ausschließbarkeit), wodurch soziale Dilemmata entstehen. Nichtsdestotrotz liefert der Augenmerk auf die verfügungsrechtlich verschiedenartigen Attribute des Bodens gute Gründe für eine Einmischung des Staates bzw. der Gesellschaft in die Nutzung von landwirtschaftlichen Böden – eine second-best-Lösung.

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Abb. 1 Verfügungsrechte und Gutseigenschaften für verschiedene Attribute des Bodens [CC BY 4.0]
Im Eigentumsrechtsregime für Agrarland spiegelt sich dies jedoch nicht wider. Im verfügungsrechtlichen Sinne sind Boden-Ökosystemleistungen gebündelt als „Boden“, der wiederum Teil des Bündels „Agrarland“ ist. Verfügungsrechte für Agrarland zielen nahezu ausschließlich auf die Nahrungsmittelproduktion ab – Effekte auf andere Boden-Ökosystemleistungen sind Externalitäten. Dies ist auch in Deutschland der Fall, obgleich das im Grundgesetz verankerte Prinzip der „Sozialpflichtigkeit des Eigentums“ (Art. 14 II GG) ursprünglich gerade mit Blick auf die gesellschaftliche Bedeutung von Grund und Boden formuliert wurde. Diese eigentlich besondere Bedeutung von Böden wird in der Agrarpolitik und im Planungsrecht geradezu ins Gegenteil verkehrt – während die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU Direktzahlungen allein an den Besitz von Agrarland bindet, wird das Agrarland in der Raumplanung ganz anders behandelt als bspw. städtische Flächen, insofern es kaum Möglichkeiten gibt, für Agrarland planerische Vorgaben zu machen (jenseits der Ausweisung von Schutzgebieten).

 

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Abb. 2 Vergleich tatsächliche Raumplanung (links) und erweiterte Raumplanung (rechts) am Beispiel von Wiesenena [Geodaten: Google, DigitalGlobe]

Vor diesem Hintergrund diskutieren wir im Artikel zwei beispielhafte Ansätze, um der Multifunktionalität von Böden (i. S. v. Ökosystemleistungen) gerecht zu werden: Stärkung von (ergebnisorientierten) Agrarumweltmaßnahmen innerhalb der GAP sowie eine Angleichung des planerischen Instrumentariums im Agrarkontext an das Instrumentarium der städtischen Raumplanung. Gerade bei der GAP kann dies natürlich nur der erste Schritt sein, um Multifunktionalität besser zu berücksichtigen – bei der Reform eines so komplexen Policy-Mix, wie die GAP es ist, bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den Wechselwirkungen der einzelnen Elementedes agrarpolitischen Systems, damit ein gesellschaftlich effizientes Resultat erzielt werden kann. Fest steht, dass der Status quo der Multifunktionalität von Böden nicht gerecht wird; sowie dass zumindest im Bereich der Raumplanung Abhilfe vergleichsweise einfach geleistet werden kann.

Mehr: Bartkowski, B., Hansjürgens, B., Möckel, S., Bartke, S., 2018. Institutional economics of agricultural soil ecosystem services. Sustainability 10(7): 2447. doi:10.3390/su10072447 [open access]

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