Die „Logik“ von Elsevier

Elsevier ist nicht gerade populär. Dieser größte aller Wissenschaftsverlage (ca. 3500 Fachzeitschriften) besitzt eine beispiellose Monopolstellung und gilt im Vergleich zu den anderen Großverlagen (Springer, Wiley…) als besonders „schwierig“ (siehe z. B. hier). Gerade befindet er sich in zähen Verhandlungen mit dem deutschen DEAL-Konsortium, bei denen es u. a. um faire Preise und Open Access geht (aktuelle Meldung bei Nature). Ein häufiger Kritikpunkt ist die zunehmend schlechte Qualität der Leistungen, für die Elsevier dann so horrende Preise fordert. Ein Beispiel dafür ist die „Logik“, nach der Elsevier Ausgaben von Zeitschriften zusammenstellt.

Seit es das Internet gibt, wurde das Fachzeitschriftenwesen gleichzeitig einfacher und komplizierter. Einerseits erscheinen angenommene Artikel meist sehr schnell online, noch ohne bibliografische Angaben (Ausgabe, ggf. Nummer, Seitenzahlen), aber mit einer eindeutigen DOI (digital object identifier) versehen. Die Zuordnung zu einer Ausgabe erfolgt später, man kann den Artikel aber schon lesen und er ist zitierbar. Einige Zeitschriften verzichten inzwischen sowieso auf eine Printausgabe (aber nicht darauf, ihre Artikel formal in „Ausgaben“ zu bündeln). Es gibt zwar Ausnahmen von dem Trend zur Online-Veröffentlichung vorab ohne bibliografische Angaben (z. B. Land Economics), aber im Großen und Ganzen ist es inzwischen Usus. Andererseits führt dies dazu, dass viele Artikel mitunter sehr lange darauf warten müssen, mit bibliografischen Ausgaben „ausgestattet“ zu werden – bei Springers Environmental and Resource Economics sind es gern 1–1,5 Jahre (sic!) zwischen Online-Veröffentlichung und Zuordnung zu einer Ausgabe. Beim bereits erwähnten Land Economics kann es ebenfalls ein paar Monate dauern, bis ein bereits angenommener Artikel erscheint.

Doch besonders spannende Dinge passieren in diesem Kontext bei Elsevier. Zwei Beispiele aus meinem eigenen „Dunstkreis“, die mich in letzter Zeit besonders amüsiert haben:

Beispiel 1: Der Vorab-Reprint

Eine Gruppe von vier KollegInnen schrieb vor einer Weile einen Artikel mit dem Titel Justifying social values of nature: Economic reasoning beyond self-interested preferences. Der Artikel wurde bei Ecosystem Services angenommen, erschien bereits 2016 online – aber erstmal nur so. Mit der Zuordnung zu einer Ausgabe ließ sich Elsevier Zeit (es ist eine der wenigen Aufgaben, die immer noch vom Verlag übernommen werden, ohne Einfluss der Herausgeber*innen der betreffenden Zeitschrift); in der Zwischenzeit wurden die Herausgeber*innen einer thematischen Special Issue in derselben Zeitschrift auf den Artikel aufmerksam und es wurde ein Reprint arrangiert. Das Absurde daran: der im Titel als solcher markierte Reprint erschien „offiziell“, wie die gesamte Special Issue auch, in der Ausgabe 22, Teil B, im Dezember 2016. Der „ursprüngliche“ Artikel hingegen wurde der nächsten Ausgabe 23, datiert: Februar 2017, zugeordnet.

Hs_ElsevierHs_Elsevier_Reprint

Beispiel 2: Die voreilige Replik

Repliken sind bekanntlich ein sehr wichtiges Element wissenschaftlichen Diskurses. Meine eigene Publikationsliste zeigt, dass sie auch ein gutes Mittel sind, mit vergleichsweise geringem Aufwand viel zu publizieren (allerdings mit geringem Zitationspotenzial). Nun habe ich vor einer Weile eine Replik auf ein beim Journal of Cleaner Production erschienenes Paper geschrieben – und diese wurde überraschend schnell angenommen. Ja, nicht nur das – sie wurde auch sehr schnell einer Ausgabe zugeordnet. So schnell, dass ich noch nicht einmal die Chance hatte, die im Titel der Replik enthaltene bibliografische Angabe zu dem Artikel, auf den ich mich bezogen habe, zu aktualisieren. Nun ist meine Replik, Degrowth, organic agriculture and GMOs: A reply to Gomiero (2017, JCLEPRO), als Letter to the editor in der Ausgabe 168 der Zeitschrift, Dezember 2017 offiziell erschienen. Dahingegen ist die Publikation von Tiziano Gomiero, die ich kommentiert habe, immer noch „in der Schwebe“, ohne bibliografische Angaben. Mit etwas Glück wird dieser Mangel noch dieses Jahr behoben – doch das wird nichts daran ändern, dass meine Replik mehrere Ausgaben und mind. ein Jahr „vor“ dem kommentierten Artikel datiert sein wird. Logisch, nicht wahr?

GomieroReply_Gomiero

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