Es ist einfacher, deine Füße mit Hausschuhen zu schützen, als die ganze Erde mit Teppichen auszulegen.
Dieses etwas aus dem Kontext gerissene Zitat stammt aus dem schönen Büchlein Eine Minute Weisheit des Jesuiten Anthony de Mello. Ich habe es gewählt, weil es eine recht gute, pragmatische Antwort auf eine häufige Kritik ökonomischer Ansätze im Umweltschutz darstellt. Zudem passt es in seiner „Besinnlichkeit“ zur Weihnachtszeit. Einigen wir uns darauf, dass dies mein diesjähriger Weihnachts-Beitrag ist.
Die betreffende Kritik habe ich kürzlich bereits angesprochen – es geht um den Vorwurf, dass ökonomische Ansätze (Bewertung, Emissionshandel, Biodiversity Offsets etc.) die Umweltprobleme nicht an der Wurzel packen, sondern nur kosmetische Änderungen innerhalb des nicht-nachhaltigen gesellschaftlichen und Wirtschaftssystems (oft als Kapitalismus bezeichnet) vornehmen, in dem wir leben.
Die Kritiker haben insofern Recht, als die heutigen Umweltprobleme langfristig nicht (ausschließlich) mittels ökonomischer Bewertung, Emissionshandelssystemen oder Payments for Ecosystem Services (PES) gelöst werden können. Ihre Ursachen sitzen wesentlich tiefer und betreffen „sozio-kulturelle“ Faktoren wie bspw. den Konsumismus oder das Kurzfristdenken. Langfristig kommen wir also wohl nicht umhin, Teppiche auszurollen, indem wir die Gesellschaft grundlegend umkrempeln.
Doch bedeutet das, dass ökonomische Bewertung oder Biodiversity Offsetting nutzlos oder gar schädlich wären? Das möchte ich anzweifeln. Denn sosehr auch ich mir eine umfassende Transformation hin zu einer nachhaltigen (Welt-)Gesellschaft wünschte, so unrealistisch erscheint mir dies in der kurzen bis mittleren Frist. Eine solche Transformation wäre in vielerlei Hinsicht extrem aufwendig und würde für die meisten Beteiligten Entbehrungen bedeuten – nicht gerade etwas, wozu man Menschen leicht überzeugen könnte. Ich bin nicht sicher, ob man das überhaupt schafft, ehe es irgendwo mal wirklich ordentlich kracht (Klimawandel? Zusammenbruch eines größeren, essentiellen Ökosystems á la Amazonas?). Das mit den Teppichen mag notwendig sein, es wird aber nicht einfach und sicherlich nicht bald zu schaffen sein.
Für die Zwischenzeit würde ich dann für die Hausschuh-Lösung plädieren – kleinere Lösungsansätze für einzelne Probleme innerhalb des bestehenden Systems. „Weigern“ sich die Menschen, ihren Blick beim Konsum über den Preis auszuweiten? Dann muss der Preis eben angepasst werden, um die Realität besser zu widerspiegeln. Kommt man nicht umhin, irgendwo eine neue Straße oder meinetwegen eine Bahnstrecke zu bauen? Dann sind Biodiversity Offsets vielleicht ganz nützlich.
Ein gewichtiges Argument gegen meine Sicht ist natürlich, dass ökonomische Ansätze und marktbasierte Instrumente oft ausgenutzt oder schlicht und einfach falsch angewendet werden, sodass sie sich als kontraproduktiv entpuppen. Außerdem stärken sie laut vielen Kritikern die „Marktlogik“, die als Teil des Problems angesehen wird. Letzterem stimme ich einfach nicht zu, weil ich nicht finde, dass Märkte grundsätzlich schlecht wären. Ersteres hingegen ist ein Argument, das nicht leicht zu entkräften ist. Meine Antwort darauf ist die folgende: erstens, es sind nicht nur ökonomische Ansätze, die aus- oder einfach falsch genutzt werden. Das ist ein generelles Problem der Politik (im weitesten Sinne: ich möchte hier nicht die ganze Schuld den Politikern in die Schuhe schieben – wir Bürger sind sicherlich Teil des Problems). Zweitens haben ökonomische Ansätze durchaus das Potenzial, innerhalb des bestehenden Systems an der einen oder anderen Stelle Verbesserungen herbeizuführen. Es gibt Erfolgsgeschichten, wenn auch nicht unbedingt viele. Für mich ist das Grund genug, es zumindest zu versuchen. Zumal ich keinen Widerspruch darin sehe, für eine umfassende Nachhaltigkeitstransformation einerseits und für die (sinnvolle) Verwendung bspw. von marktbasierten Instrumenten andererseits zu plädieren. Man kann erstmal Hausschuhe anziehen und dann schrittweise Teppiche auslegen. Sonst läuft man Gefahr, sich die Füße wundzulaufen, bevor man die Welt mit Webprodukten bedeckt hat.