Was Friedrich August von Hayek und Niko Paech gemeinsam haben

Es gibt zwei Hauptfelder, in denen sich Ökonomen austoben dürfen: Modellbildung, um die Wirtschaftswelt zu beschreiben und zu verstehen. Und Instrumentenbildung, um bestimmte Missstände in dieser zu beseitigen. In die zweite Kategorien gehören solche Konzepte wie Steuern, Emissionshandelssysteme, Payments for Ecosystem Services, Subventionen etc. Doch funktionieren diese Instrumente sehr oft nicht so, wie sie sollten. Teilweise liegt es daran, dass ihre Entwickler bestimmte wichtige Faktoren ignoriert haben, z.B., weil sie von einem zu einfachen Modell menschlichen Handelns ausgegangen sind. Oft genug liegt es aber daran, dass die Instrumente nicht so implementiert werden, wie es ihre Entwickler wollten. Oder sie werden gar nicht erst implementiert, obwohl sie durchaus in der Lage wären, die betreffenden Probleme zu lösen. Beides wird dann gern den Ökonomen in die Schuhe gelegt. Unberechtigterweise.

Streng genommen ist das oben skizzierte Problem nicht auf die Ökonomie beschränkt. Ein ähnliches Beispiel ist das krampfhafte Streben der internationalen Gemeinschaft nach einem globalen Klimaabkommen. Ein solches Abkommen, das zeigen auch ökonomische (spieltheoretische) Modelle, könnte uns einer Lösung des Klimaproblems zumindest deutlich näher bringen. Bloß kann sich die Staatengemeinschaft nicht darauf einigen. Das gleiche gilt in anderen Feldern, von der Tobin-Steuer über Emissionshandelssysteme bis hin zur Öko-Steuerreform – man weiß, was zu tun wäre, aber entweder kommt es gar nicht zur Implementierung der betreffenden Instrumente oder sie werden so implementiert, dass sie nichts taugen (Stichwort EU ETS).

Ein anderes Beispiel ist die Quelle des Titels meines heutigen Beitrags (den ich meinem Kollegen WB verdanke): im weiteren Kontext der Postwachstums-Debatte gibt es viele verschiedene Lösungsansätze, wie die Biosphäre (und damit, langfristig, wir selbst) vor uns geschützt werden kann. Auf der einen Seite wären da z.B. die deutschen „Postwachstumspäpste“ Niko Paech und Harald Welzer, denen ein kultureller Wandel „von innen“, „bottom-up“ vorschwebt als die Lösung der Problematik. Die Menschen, zuerst eine Art „Postwachstums-Avantgarde“, sollen dazu ermutigt werden, zum Schutz der Biosphäre, aber auch in ihrem eigenen Interesse auf suffiziente (genügsame) Lebensstile umzuschwenken – Stichwort Generation Y, nur weiter gehend. Das Problem dieses Ansatzes ist natürlich: er setzt auf den guten Willen der Einzelnen und bietet nicht viel Handhabe gegen soziale Dilemmata, d.h., den nur geringfügigen Einfluss des Einzelnen auf den ökologischen Fußabdruck der gesamten Gesellschaft bzw. allgemeiner auf ihre Kultur. Auf der anderen Seite hätten wir den Ordoliberalismus á la Friedrich August von Hayek, bei dem die individuellen Lebensstile dem Individuum überlassen werden und stattdessen der institutionelle Rahmen (Gesetze, Vorschriften, Steuern etc.) die Biosphäre schützen sollte, auf eine Art und Weise, die innerhalb dieses Rahmens dem Individuum die größtmögliche Freiheit überlässt (womit auch z.B. John Rawls oder John Stuart Mill zufrieden sein dürften). Das Problem des Ordoliberalismus und ähnlicher Ansätze ist, nicht nur in diesem speziellen Kontext, dass er keine Aussage darüber macht, wie dieser Rahmen zustande kommen soll. Wie kann sich die Gesellschaft auf Regeln einigen, von denen sie weiß, dass sie für den Einzelnen durchaus „schmerzhaft“ sein? Das haben also Paech/Welzer auf der einen und Hayek auf der anderen Seite gemein: ihre Lösungsansätze sind davon abhängig, dass die Menschen sich für sie entscheiden, was aber keineswegs gesichert ist.

Dieses Problem hängt auf eine offensichtliche Art und Weise mit liberaler Demokratie zusammen. Sofern wir nicht einen „wohlmeinenden Diktator“ für eine gute Alternative halten, sondern die Demokratie mit Churchill für das schlechteste Regierungssystem halten außer denen, die wir sonst ausprobiert haben, stehen wir vor dem Problem, dass die Menschen gemeinsam Entscheidungen treffen müssen, die sie selbst betreffen. Dabei sind wir sozialen Dilemmata ausgesetzt – da meine individuelle Flugreise nach Südostasien nur einen marginalen Einfluss aufs Klima hat, stimme ich nur ungern Maßnahmen zu, die zum Schutz des Klimas eine solche Reise für mich prohibitiv teuer machen würden. Und so entwerfen Ökonomen und Andere wunderschöne Instrumente zur Lösung der drängendsten Probleme der Welt, die aber erstmal implementiert werden müssen. Entwickelt man ein Instrument zur erfolgreichen Implementierung, muss dieses wiederum implementiert werden, was schnell zu infinitem Regress führt. Dies betrifft gleichermaßen ein funktionierendes Emissionshandelssystem, ein effektives globales Klimaabkommen, eine Transformation hin zu einer Postwachstumsgesellschaft oder die ominöse „Überwindung des Kapitalismus“, die in diesen Kontexten so gern als „Lösungsansatz“ vorgebracht wird. All diese Instrumente sind „schmerzhaft“, auf die eine oder andere Art und Weise – sonst hätten wir sie schon längst implementiert. Da sie aber so sind, ist die Implementierung das entscheidende Problem, für das es keine bekannte niet- und nagelfeste Lösung gibt, die mit Demokratie vereinbar wäre. Dafür hat die Ökonomie immerhin einen Begriff: im weiteren Sinne haben wir es hier mit einer Variante des berühmten Unmöglichkeitstheorems von Kenneth Arrow zu tun. Und dafür bekommt man immerhin einen Wirtschaftsnobelpreis…

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